Letzte Aktualisierung: um 12:20 Uhr

Thomas Jarzombek, Luftfahrt-Koordinator Deutschland

«Das Thema Einmanncockpit muss noch einmal auf den Tisch»

Der Koordinator der deutschen Regierung für Luftfahrt, Thomas Jarzombek, erklärt im Interview, wie er Elektrofliegerei profitabel machen will, wie deutsche Regionalaflughäfen davon profitieren könnten und wie man Personalkosten senken könnte.

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Lufthansa plant eine Kapitalerhöhung. Das heißt auch, der Staatsanteil könnte bald sinken. Wie lange will die Bundesregierung noch dabei sein?
Thomas Jarzombek*: Wir haben kein Interesse, langfristig Gesellschafter der Unternehmen zu sein, die wir unterstützt haben. Was wir bei Lufthansa und auch bei Condor taten, war die pandemiebedingten wirtschaftlichen Folgen abzufedern. Wir reden von Unternehmen, die vorher profitabel waren. Und einige Branchen sind durch die als Folge der Pandemie notwendig gewordenen Maßnahmen so stark betroffen, dass es nur fair und notwendig war, zu helfen, um deren Existenz zu sichern. Unser Interesse ist klar: Sobald es geht, werden wir wieder auszusteigen. Und das sehen die Unternehmen auch so.

Bei Condor sah die Situation allerdings etwas anders aus als bei Lufthansa. Schon vor Corona hatte der Staat einspringen müssen. Und schon damals fragten Kritiker, wie sinnvoll das ist, wenn Condor im Grunde auf vielen Strecken unterwegs ist, wo auch andere Airlines fliegen.
Wir haben unterstützt, als die britische Muttergesellschaft Insolvenz anmeldete. Und das war auch naheliegend, denn wenn ein gesundes und profitables Tochterunternehmen unverschuldet in Schwierigkeiten kommt, ist es für uns von Interesse, den Betrieb fortzuführen. Ich glaube klar an Wettbewerb und ich glaube auch, kein Industriezweig ist gut aufgestellt, wenn nur ein Anbieter am Markt ist. Es wäre in Deutschland in diese Richtung gegangen.

Die Finanzgesellschaft Attestor will inzwischen Condor kaufen. Sind Sie zuversichtlich, dass der Verkauf problemlos über die Bühne geht?
Dazu können wir uns öffentlich nicht äußern. Aber wir haben großes Interesse daran, dass Condor in gute Hände kommt.

Ich habe eine gewisse Hoffnung, dass wir über den Sommer und Herbst in eine bessere Lage kommen.

Condor war in den vergangenen Wochen auch Thema, weil der Europäische Gerichtshof Ryanair recht gab: Die Genehmigung der Staatshilfen sei nicht rechtens.
Das Gericht hat ja nur erklärt, dass die Begründung der EU-Kommission für die Staatshilfen nicht ausreichend sei. So wie ich das verstehe, will die Kommission da nachbessern. Es geht nicht um Kritik an der Sache, sondern um Formaljuristisches.

Wie kann es denn passieren, dass so ein Fehler passiert?
Man muss sich vor Augen halten, wie es vor etwas mehr als einem Jahr aussah. Da wurden extrem viele Unterstützungsprogramme in sehr kurzer Zeit auf den Weg gebracht. Da muss es einen nicht wundern, wenn es bei der Begründung etwas an der juristischen Feinheit hapert.

Sie sind also zuversichtlich, dass sich das Problem für Condor löst?
Ich glaube, die Kommission hat ein Interesse daran, die Dinge zu regeln. Ich bin also positiv gestimmt.

Nicht nur Condor wurde von der Coronavirus-Pandemie auf dem falschen Fuß erwischt. Die ganze Branche traf die Pandemie hart – vor allem auch wegen der Dauer. Die Luftfahrtbranche ging zunächst von einer viel schnelleren Erholung aus. Wie konnte man sich so verschätzen?
Da brauchen Sie weder Luftfahrtexperten noch Ökonomen, sondern eher Virologen, um das zu beurteilen. Aber ich glaube, viele haben nicht erwartet, dass der Winter so zuschlagen wird, wie er es dann tat. So eine Pandemie ist unvorhersehbar und alles hängt vom Infektionsgeschehen ab. Ich habe aber eine gewisse Hoffnung, dass wir über den Sommer und Herbst in eine bessere Lage kommen.

Die Annahme, wir könnten in einem halbwegs überschaubaren Zeitraum schöne neue Bahnstrecken in Deutschland bauen, halte ich für unrealistisch.

Und falls doch nicht? Ist der Staat bereit, Airlines noch weiter unterstützen?
Natürlich müssen wir fortführen, was wir mit der Überbrückungshilfe angefangen haben. Sonst würden wir eine ganze Reihe von Betrieben gezielt in die Insolvenz führen. Da hat der Staat eine Fürsorgepflicht. Es geht ja nicht um selbstverschuldete betriebswirtschaftliche Probleme. Alle wissen aber auch, dass das jetzt nicht über Jahre so weitergehen kann. Daher haben wir auch viele Anstrengungen übernommen was zum Beispiel das Impfen, die Corona-App und die Impfpass-App.

Die Umweltdiskussion schlief zunächst ein, und gewann kürzlich wieder an Fahrt. In Frankreich war eine Bedingung der Staatshilfe, gewisse Inlandstrecken nicht mehr zu fliegen. Welche Strecken sollten in Deutschland nicht mehr geflogen werden?
Wenn man vom Flugzeug auf den Zug umsteigen will, braucht es Alternativen. Ich finde, viele sind in dieser Diskussion ziemlich naiv. Die letzte große Bahnstrecke, die wir in Deutschland gebaut haben, war die von München nach Berlin. Die Zeit von Planung und Bau betrug 26 Jahre. Die Annahme, wir könnten in einem halbwegs überschaubaren Zeitraum schöne neue Bahnstrecken in Deutschland bauen, halte ich für unrealistisch. Daher muss man dieses Thema mal einem Realitätscheck unterziehen.

Was hat Frankreich denn besser gemacht?
Frankreich hat eine andere Infrastruktur. Deutschland ist viel dezentraler. Es ist gar nicht vorstellbar, dass man hier 1000 Kilometer ohne Stopp unterwegs ist. Auf dem Weg von München nach Berlin nicht in Leipzig, Erfurt und Nürnberg zu halten, das wäre absurd. Übrigens bin ich auch überzeugt, dass nicht weniger geflogen würde, wenn Lufthansa plötzlich keine Kurzstrecken fliegen darf. Dann steigen die Passagiere einfach in Amsterdam, London oder Paris um, und das kostet uns viele Arbeitsplätze hier.

Aber irgendeine Lösung braucht es doch, um die Emissionen zu reduzieren.
Ich glaube an die elektrische und hybridelektrische-Fliegerei. Wir haben angekündigt, die D328 Eco als neues Flugzeugprogramm in Deutschland anzusiedeln. Ein 40-sitziger Regionalflieger, der auch hybrid – also mit Gasturbine und E-Motor – betrieben werden kann, das ist ein guter Baustein, um eine Lösung zu finden. 2035 könnte er bereits in Serie abheben, so die aktuellen Prognosen – mit mehr Anreizen vielleicht auch schneller. Ich glaube, dass das emissionsfreie Fliegen in einer Perspektive für die 2030er Jahre die realistischste Perspektive ist.

Mit hybriden und Elektrofliegern könnten Menschen vom Niederrhein von Weeze aus abfliegen, statt eine Stunde nach Düsseldorf zu fahren.

Aber Sie sagen selbst: die Deutsche Aircraft D328 Eco hat 40 Sitze. Bis große Flieger wie ein Airbus A320 elektrisch unterwegs sind, vergeht noch viel mehr Zeit.
Man muss sich anschauen, wie man das hinbekommt. So muss etwa noch einmal das Thema von Single Pilot Operations also Einmanncockpit auf den Tisch, um Personalkosten zu senken. Und auch, wenn man auf die Luftfahrtsteuer schaut, könnte man etwas machen, analog zu E-Autos. Die sind ja auch für zehn Jahre steuerfrei. Sogar eine negative Steuer ist da denkbar, wenn man die kleineren, aber effizienten Flugzeuge fördern will. Und davon profitieren auch Regionalflughäfen.

Aber die müssen dann ihr Geschäftsmodell ändern?
Ja, und das kann durch so einen Technologiewandel passieren. Die Regionalflughäfen waren ja schon einmal in einer besseren wirtschaftlichen Lage. Dann wurden die Flugzeuge größer. Easyjet fing mit Airbus A319 an und ist inzwischen mit vielen A321 unterwegs. Man fliegt mit großen Flugzeugen, und die füllt man besser an großen Airports. Das ist das Problem der Regionalflughäfen.

Das heißt die Zukunft von Kassel sind nicht Direktflüge nach Mallorca, sondern elektrisch Zubringerflüge zu Drehkreuzen?
Ich sehe hier vor allem Flüge innerhalb Deutschlands. Ich komme selbst aus Düsseldorf und kenne das Problem. Auf der Strecke zwischen Düsseldorf und Berlin hat das Flugzeug einfach einen massiven zeitlichen Vorteil. Dasselbe gilt für Verbindungen aus dem Rheinland nach Hamburg oder von München nach Hamburg. Wer einen Termin ohne Übernachtung wahrnehmen will, dem bleibt kaum eine andere Wahl als zu fliegen. Mit hybriden und Elektrofliegern könnten Menschen vom Niederrhein von Weeze aus abfliegen, statt eine Stunde nach Düsseldorf zu fahren. Aber auch Urlaubsflüge sind ja mit einem kleinen Flugzeug machbar und mit 40 Plätzen würde man einen Flieger in Paderborn vielleicht auch füllen können.

Neben der Elektrofliegerei gibt es ja auch noch andere Antriebe, die vielversprechend sind. Wasserstoff, synthetischer Treibstoff. Airlines beschweren sich oft, dass Regierungen dort zu wenig investieren.
Wir haben im Koalitionsausschuss für solche Nachhaltigen Technologien sieben Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, und das ist doch schon ein ziemlicher Batzen.

* Thomas Jarzombek (48) ist seit April 2018 Koordinator des deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für Luft- und Raumfahrt. Er hat Wirtschaftswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bis zum Vordiplom studiert und danach ein Unternehmen für IT-Dienstleistungen gegründet. Er ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2014 ist er Vorsitzender der CDU Düsseldorf.