Letzte Aktualisierung: um 19:35 Uhr

Flug AA587

Das Seitenleitwerk des A300 brach plötzlich ab

Am 12. November 2001 stürzt ein Airbus A300 von American Airlines drei Minuten nach dem Start in New York ab. Es war kein erneuter Terroranschlag, sondern menschliches Versagen.

Die Erinnerungen an die vernichtenden Terroranschläge vom 11. September waren noch frisch: Noch immer fanden Trauerfeiern und Beerdigungen von Opfern statt. Als ein Airbus A300-600 von American Airlines am 12. November 2001 nach dem Start am Flughafen John F. Kennedy in ein Wohngebiet im Stadtteil Queens stürzte, war die Angst vor einem erneuten Terroranschlag groß. Bürgermeister Rudolph Guiliani ließ sofort alle Brücken, Flughäfen und Tunnel sperren, die Vereinten Nationen riegelten ihre Zentrale in Manhattan ab, Kampfjets kontrollierten den Luftraum über New York.

Alle 265 Passagiere und Besatzungsmitglieder von Flug AA587 starben beim Crash. Als die Einsatzkräften am Unglücksort eintrafen, bot sich ihnen ein Bild des Grauens: Die vollbetankte Maschine mit Ziel Santo Domingo war mitten in eine Häuserreihe gekracht und explodiert. Dutzende Bauten wurden zerstört, überall lagen verkohlte Leichenteile. In den zertrümmerten Wohngebäuden starben fünf weitere Menschen – dass es so wenig waren, gleicht einem Wunder, wenn man die Verwüstung sah. Für die Bewohner der Siedlung von Rockaway Beach war das Unglück der zweite Schicksalsschlag innerhalb kürzester Zeit: Mehr als 60 Polizisten und Feuerwehrleute, die in den Trümmern des World Trade Centers gestorben waren, lebten in dem Quartier.

Keine Sprengstoffspuren gefunden

Schnell konnten die Ermittler Entwarnung geben: Sie fanden keine Sprengstoffspuren an Gepäck- oder Wrackteilen. Zudem war auf den Cockpit-Aufnahmen keine Explosion zu hören. Der Absturz war also kein Terroranschlag, stattdessen gerieten die Piloten der Maschine ins Visier der Ermittlungen.

Auf dem Stimmenrekorder war neben den Stimmen der Piloten Edward States und Sten Molin auch ein eigentümliches Rattern zu hören. Die Geräusche ließen die Ermittler auf starke Vibrationen in dem Flugzeug schließen. Als mögliche Ursache galt eine mögliche Materialschwäche.

Schwanzwedeln bei 350 Kilometer pro Stunde

Airbus war Pionier beim Einsatz von kohlefaserverstärkter Kunststoffe (CFK), das leichter und fester als Aluminium ist. Allerdings können kleinste Fehler bei der Herstellung zu schwerwiegenden Materialschäden führen. Hätte ein Versagen der CFK-Elemente zum Absturz geführt, hätten Hunderte Airbus stillgelegt werden. Für den Hersteller war es also eine bange Zeit.

Den Abschlussbericht zum Absturz von Flug AA587 legte die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde NTSB schließlich drei Jahre später vor. Demnach war der Airbus A300 kurz nach dem Start in die Wirbelschleppe eines voraus fliegenden Jumbo-Jets geraten und durchgeschüttelt worden. Der Kopilot, der zu dem Zeitpunkt das Flugzeug steuerte, trat mehrere Male kräftig in die Seitenruderpedale, um das Flugzeug in der turbulenten Luft geradezurichten. Er wedelte bei einer Geschwindigkeit von 350 Stundenkilometern quasi mit dem Schwanz.

Airbus warnte davor

Dieser «unnötige und unangemessene Einsatz der Ruderpedale», heißt es im Bericht, führte zu einer aerodynamischen Überlastung des senkrechten Seitenleitwerks am Heck. Es brach daraufhin in der Luft ab. Der Kopilot konnte die Maschine nicht mehr steuern, es kam zur Katastrophe. Damit gilt das Fehlverhalten des Kopiloten als Auslöser für das Unglück, von Schuld und Versagen sprechen die Ermittler dennoch nicht.

Denn die Fluggesellschaft American Airlines hatte diesen aggressiven Einsatz des Ruders den Piloten im Schulungsprogramm empfohlen, um Turbulenzen auszugleichen. Sie erfuhren allerdings nicht, dass der Hersteller Airbus ausdrücklich davor warnte, das Verfahren bei höherer Geschwindigkeit einzusetzen. Die auftretenden Kräfte könnten die Belastungsgrenzen des Materials übersteigen und das Heck abreißen. Genau das ist bei Flug AA587 passiert: Das acht Meter hohe Seitenruder des Airbus A300 wurde vier Kilometer vom Absturzort entfernt im Meer gefunden – nahezu unbeschädigt.