Charles Lindbergh
Tragischer Fliegerheld mit Doppelleben
Als der 25-jährige Charles Lindbergh 1927 nach 33 Stunden, 30 Minuten und 30 Sekunden Flugzeit in Paris landete, wurde der unbekannte Postflieger zum Nationalheld. Sein Leben wurde durch den Ruhm auf den Kopf gestellt.
Charles Lindbergh vor seiner Maschine Spirit of St Louis: Der junge Flieger wurde durch seinen Rekordflug zum amerikanischen Nationalhelden.
Charles Lindbergh vor seiner Maschine Spirit of St Louis: Der junge Flieger wurde durch seinen Rekordflug zum amerikanischen Nationalhelden.
Anders als wohl viele glauben, gelang Charles Lindbergh nicht als erstem Menschen eine Nonstop-Atlantiküberquerung mit einem Flugzeug. Bereits acht Jahre vor ihm, im Juni 1919, flogen zwei Briten, Pilot John Alcock und Navigator Arthur Whitten Brown, von Neufundland nach Irland. Nur war Lindbergh der Erste, der diese Manöver alleine wagte. Doch von Anfang an: Charles Augustus Lindbergh Junior wurde am 4. Februar 1902 in Detroit geboren. Seine Kindheit verbrachte er größtenteils in Minnesota und Washington DC, wo seine Eltern nach ihrer Trennung lebten.
Schon in jungen Jahren interessierte sich Lindbergh für Mechanik und schließlich auch fürs Fliegen, auch wenn er selbst «nie nah genug an einer Maschine dran war, um sie zu berühren», wie er sich später in seinem Buch «We» erinnerte. Sein Maschinenbaustudium brach er nach zwei Jahren ab. Stattdessen begann er 1922 eine Piloten- und Mechanikerausbildung. Kurze Zeit danach kaufte er sich eine Curtiss JN-4 Jenny und zog als Kunstflieger durch die USA. 1924 trat er der US Army Air Service bei und schloss dort seine Flugausbildung als Klassenbester ab. Da der Bedarf an Militärpiloten gering war, heuerte er im Anschluss als Postflieger an.
Wettbewerb weckt seinen Ehrgeiz
Bereits 1919 hatte ein französisch-stämmiger Hotelier einen Preis von 25‘000 Dollar ausgelobt für den ersten Nonstop-Flug zwischen New York und Paris. Einige Piloten waren daran gescheitert, doch Lindberghs Ehrgeiz war geweckt. Mithilfe eines Darlehens, Spenden reicher Gönner, seinen Ersparnissen und seinem Lohn als Postflieger sammelte er schließlich 18‘000 Dollar ein und beauftragte den eher unbekannten Flugzeughersteller Ryan Aircraft mit dem Bau einer einmotorigen Maschine.
Nach nur zwei Monaten Entwicklungs- und Bauzeit war die Spirit of St. Louis fertig. Mit dem Flugzeugnamen bedankte sich Lindbergh bei seinen privaten Geldgebern, die aus der Stadt am Mississippi stammten. Das Flugzeug bestand aus Stahlrohr und Holz und war mit Stoff verkleidet. Ausgestattet war es mit nur einem Motor, denn Lindbergh war der Meinung, dass das Risiko eines Motorenausfalls mit der Zahl der Motoren steige. Und wenn das passiere, könnten die verbleibenden Motoren die Maschine auch nicht in der Luft halten.
Vom Postflieger zum Nationalhelden
Am 20. Mai 1927 um 7:54 Uhr startete Lindbergh schließlich vom Roosevelt Field in New York seinen Rekordversuch. Vor ihm lagen 5‘808 Kilometer. Um das Gewicht seiner Maschine möglichst niedrig zu halten und die maximale Menge an Treibstoff mitzuführen, verzichtete er auf ein Funkgerät und einen Sextanten. Stattdessen flog er nur mit einer Armbanduhr, Karten und einem Kompass. Unterwegs geriet er in einen heftigen Schneesturm, kam aber dennoch kaum von seiner ursprünglichen Route ab und fand schließlich Paris: Die weithin sichtbare Beleuchtung des Eiffelturms wies ihm den Weg.
Unter dem Jubel von Zehntausenden Menschen landete er schließlich nach mehr als 33 Stunden Flugzeit auf dem Airport Le Bourget in Paris. Nicht nur gewann er das Preisgeld von 25‘000 Dollar. Er war auch plötzlich ein amerikanischer Nationalheld – und der wohl berühmteste Mann der Welt. Zurück in New York wurde er mit einer riesigen Konfettiparade gefeiert, mit Ehrungen überhäuft und zum Darling der High Society. Die Presse nennt ihn «Lucky Lindy» – doch sein Glück sollte nicht lange währen.
Baby entführt
Zwei Jahre nach seinem Rekordflug heiratete Lindbergh die Diplomatentocher Anne Spencer Morrow, die ihn später als Kopilotin und Funkerin auf Flügen begleitete. Ihr erstes Kind, Charles, wird am 22. Juni 1930 geboren. Keine zwei Jahre später wird es von Unbekannten entführt. Obwohl Lindbergh 50‘000 Dollar Lösegeld zahlte, wird sein Sohn tot aufgefunden. Weltweit sorgte der Fall für Schlagzeilen. Für die Tat wurde der deutschstämmige Bruno Richard Hauptmann verurteilt und 1936 hingerichtet, obwohl er die Tat bestritt. Bis heute ist nicht klar, wer wirklich hinter der Entführung und Ermordung von Lindberghs Sohn steckte. «Dieses Verbrechen haben zwei verübt: der Kidnapper und die Presse», zitiert ihn sein Biograf Rudolf Schröck.
Mehrere Jahre lebte Lindbergh mit seiner Familie in Großbritannien und Frankreich, um dem Presserummel in den USA zu entgehen. Erst kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zog er zurück nach Amerika. Dort engagierte er sich im America First Committee, einer Bewegung, die den Kriegseintritt der USA verhindern wollte – was Präsident Franklin D. Roosevelt missfiel. Er kündigte an, Lindbergh wegen seiner politischen Ansichten nicht wieder in die Streitkräfte einberufen zu wollen.
Antisemit und Nazi-Sympathisant?
Dieser legte daraufhin seinen Rang als Oberst der Luftwaffe nieder. In einer Rede 1941 erklärte Lindbergh, die drei wichtigsten Gruppen, die die USA in den Krieg treiben wollten, seien «die Briten, die Juden und die Regierung Roosevelt». Das brachte ihm viel Kritik ein. Er wurde als Antisemit und Nazi-Sympathisant beschimpft.
Erst durch seine Beteiligung an Kampfflugeinsätzen gegen Japan und seine 1954 erschiene Biografie «The Spirit of St. Louis», für die er einen Pulitzer-Preis erhielt, konnte er die Sympathien zurückgewinnen und wurde schließlich wieder in die US Air Force aufgenommen. Das Buch wurde von Regisseur Billy Wilder verfilmt und floppte an den Kinokassen. Ursprünglich hatte James Dean die Hauptrolle übernehmen sollen, starb aber vorher bei einem Autounfall. Stattdessen übernahm James Stewart den Part von Lindbergh – er war damals Ende 40.
Doppelleben enttarnt
Am 26. August 1974 starb Charles Lindbergh im Alter von 72 Jahren in seinem Haus auf Maui an Lymphdrüsenkrebs. Erst knapp 30 Jahre nach seinem Tod wurde bekannt, dass Lindbergh sieben weitere Kinder mit drei Frauen in Deutschland und den USA gezeugt hatte. Die Beziehungen waren bis zu seinem Tod geheim geblieben, die Kinder kannten die wahre Identität ihres Vaters nicht.
Erst ein DNA-Test bewies seine Vaterschaft. Offenbar war Lindbergh so geschickt vorgegangen, dass seine Frau und die fünf gemeinsamen Kinder nichts von seiner Zweit-, Dritt- und Viertfamilie wussten.