Letzte Aktualisierung: um 18:26 Uhr

Nicht nur MCAS

Brachte dieser Effekt die 737 Max zum Absturz?

Suche nach Erklärungen: Kurz vor den Abstürzen der Boeing 737 Max von Ethiopian und Lion Air könnte den Piloten ein Faktor zum Verhängnis geworden sein, der bisher noch kaum Beachtung fand.

Die Untersuchung zum Absturz der Boeing 737 Max von Lion Air ist noch nicht beendet. Doch die gängige Erklärung lautet zurzeit so: Ein kaputter Anstellwinkelsensor lieferte falsche Daten und aktivierte das umstrittene MCAS-System der 737 Max, das eigentlich dazu dienen soll, einen möglichen Strömungsabriss zu verhindern. Das MCAS trimmte das Höhenleitwerk der Maschine so, dass dieses die Nase des Jets nach unten neigte. Anstatt das System abzuschalten, arbeiteten die Piloten dagegen. Sie trimmten das Leitwerk zurück, dann wurde das MCAS wieder aktiv – 21 Mal. Ein Flug wie ein Rodeo-Ritt.

Doch führte dies wirklich dazu, dass der Flieger schließlich in die Javasee stürzte? Und womöglich auch dazu, dass eine 737 Max von Ethiopian Airlines verunglückte? Der Absturz von ET302 weist nämlich Ähnlichkeiten mit dem von JT610 auf, wie die französische Behörde BEA nach Untersuchung des Flugdatenschreibers aus Afrika bestätigte. Bjorn Fehrm, Luftfahrtjournalist von Leeham News und ehemaliger Kampfjetpilot, vermutet, dass zum MCAS-Problem ein weiterer Faktor hinzu kam und erst diese Kombination zur Katastrophe führte.

737 Max flogen niedrig und schnell

«Ich weiß von Piloten, die im Simulator 737 geflogen sind, dass man mit dem kontrollieren Höhenruder die Nase oben halten kann, selbst gegen ein vollständig auf Nase-runter getrimmtes Höhenleitwerk», schreibt der Experte. Allerdings gilt es, bei den abgestürzten 737 Max etwas Besonderes zu beachten: Sie flogen niedrig und schnell. «Wenn ein Pilot eine Warnung vor einem Strömungsabriss bekommt, wie etwa einen Stick Shaker, ist seine Reaktion, die Nase zu senken und zu beschleunigen», erklärt der Experte. Ein Stick Shaker ist eine Vibration der Steuersäule.

Der umgebende Luftdruck ist in geringer Höhe größer als weiter oben. Weil das Flugzeug in dieser Umgebung auch noch ungewöhnlich schnell fliegt, ist mehr Kraft nötig, um das Höhenruder aufzurichten. Laut Fehrms Erklärung, bei der er sich auch auf einen Hinweis von Piloten beruft, sind die Aktuatoren des Höhenruders ab einer bestimmten Geschwindigkeit nicht mehr stark genug, um gegen die äußeren Kräfte anzukommen – sie können das Höhenruder nicht mehr aufstellen. Man spricht vom Blowback-Effekt.

Höhenruder reagierte womöglich nicht

Genau das haben die Piloten der Unglücksmaschinen laut Fehrms Theorie kurz vor dem finalen Absturz aber versucht: die Höhenruder aufzurichten, indem sie das Steuer zu sich zogen. Während dies unter anderen Umständen ausreichen sollte, um gegen das vom MCAS nach unten getrimmte gesamte Höhenleitwerk anzukommen, hilft dies nichts, wenn das Höhenruder nicht reagieren kann.

Der Grund dafür sind natürliche physikalische Phänomene. Allerdings fliegt ein Jet normalerweise nicht gleichzeitig so tief und so schnell mit einem ständigen Auf und Ab der Nase und überlasteten Piloten, wie es bei Lion Air und Ethiopian der Fall war.