Letzte Aktualisierung: um 13:39 Uhr

Disagree Alert

Boeing wusste schon länger von fehlender Warnmeldung

Boeing wusste ein Jahr lang, dass eine Funktion in ihren 737 Max fälschlicherweise nicht aktiviert war. Doch man stufte den Fehler als nicht sicherheitsrelevant ein.

Welche Funktionen sind sicherheitsrelevant und welche nicht? Diese Frage steht nun schon seit einigen Wochen im Raum, sobald es darum geht, was zu den Abstürzen von zwei Boeing 737 Max im vergangenen Oktober und in diesem März geführt hat. Glaubt man Boeing, so war eine Warnmeldung, die in der großen Mehrheit der ausgelieferten 737 Max nicht funktionierte, nicht sicherheitsrelevant: der sogenannte Angle Of Attack Disagree Alert.

Diese Warnmeldung informiert Piloten, falls die beiden Anstellwinkelsensoren des sogenannten Maneuvering Characteristics Augmentation System MCAS widersprüchliche Daten an das System liefern. Wie Boeing in einer Mitteilung erklärt, wurde den Ingenieuren des Flugzeugbauers schon 2017 klar, dass die Warnmeldung, die eigentlich in allen Fliegern aktiv sein sollte, in der Mehrheit der 737 Max nicht aktiviert war. Der Grund: Sie war mit dem Anstellwinkelindikator verknüpft. Und der wiederum sei eine kostenpflichtige Zusatzfunktion.

Erst ein Jahr später informiert

Die Warnmeldung funktionierte also irrtümlicherweise nicht. Dennoch entschied der Flugzeugbauer sich, die Kunden und auch die Behörde FAA nicht zu informieren. Der Grund, schreibt Boeing in einer Mitteilung zum Thema: Man sei nach internen Analysen zum Schluss gekommen, dass der nicht funktionierende Alarm die Sicherheit und den Flugbetrieb nicht negativ beeinflusse. «In jedem ausgelieferten Flugzeug sind alle für den sicheren Flugbetrieb nötigen Funktionen eingebaut», schreibt das Unternehmen.

Boeing zählt dann noch einmal alle Funktionen auf, die Piloten benötigen, um ein Flugzeug sicher zu fliegen. «Weder der Anstellwinkelindikator noch der AOA Disagree Alert sind Sicherheits-Features», heißt es dann nochmal. Dennoch entschied sich Boeing ein Jahr später um – nach dem Absturz einer Boeing 737 Max von Lion Air im Oktober 2018. Der Hersteller informierte die Behörden über die fehlende Warnmeldung und entschied sich, Änderungen an der Software der 737 Max vorzunehmen. Künftig wird die Warnmeldung in allen 737 Max funktionieren.

«Niedriges Risiko»

Man habe dann noch einmal untersucht, ob der Disagree Alert sicherheitsrelevant sei und sei wieder zu dem Schluss gekommen, dass das nicht der Fall sei. Die FAA habe diese Entscheidung mitgetragen. Die Behörde erklärt gegenüber der New York Times, dass man das Problem als «niedriges Risiko» einstufte. Dennoch hätte man es begrüßt, wenn Boeing früher über die Verwirrung mit der Warnmeldung informiert hätte.

Ob die Warnmeldung die beiden Abstürze hätte verhindern können, ist nicht klar. Aber dass das mithin verbundene MCAS eine Rolle spielte, darüber sind sich die Ermittler einig. Das MCAS soll eigentlich einen Strömungsabriss verhindern, wenn es aber mit falschen Daten gefüttert wird, kann es einen Sturzflug einleiten.