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Sensoren und Warnungen

Boeing muss 737 Max nach Neustart weiter umbauen

Software-Änderungen an der Flugsteuerung sollen die Boeing 737 Max sicher machen. Die Behörden in Europa und Kanada drängen aber auf weitere Änderungen.

Mit den Testflügen vergangene Woche hat die Boeing 737 Max eine wichtige Hürde auf dem Weg zur Wiederzulassung genommen. Bis das Modell aber wieder mit Passagieren abheben darf, hat vor allem die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA noch viel Arbeit zu leisten. Und je nachdem, was deren Prüfungen ergeben, muss Boeing bei der Max womöglich nachbessern.

Bereits jetzt zeigt sich: Der Flugzeugbauer wird auch an der 737 Max weiterarbeiten müssen, wenn sie bereits wieder fliegen darf. Wie die Zeitung Seattle Times berichtet, drängen besonders die Luftfahrtbehörden aus Europa und Kanada auf Verbesserungen, die über die bisherigen Änderungen hinausgehen. Allerdings kann Boeing dies nach der Wiederzulassung des Jets angehen, der nach zwei Abstürzen seit März 2019 gegroundet ist.

Software-Änderungen reichen nicht aus

Damit die 737 Max grünes Licht von den Behörden erhält, hat Boeing bisher vor allem Änderungen an Flugsteuerungssoftware MCAS vorgenommen, welche die Lage des Fliegers im Flug korrigiert und eine erhebliche Rolle bei den Unglücken spielte. So wird das MCAS durch eine Software-Änderung künftig nur aktiviert, wenn es ähnliche Daten von beiden Anstellwinkelsensoren erhält. Bei den Abstürzen von Lion Air und Ethiopian Airlines trat das System in Aktion, weil es sich auf falsche Daten jeweils eines defekten Sensors verließ.

Die europäische Luftfahrtbehörde Easa sieht aber weiterhin ein Problem darin, dass die Boeing 737 Max nur zwei dieser Sensoren hat, deren Daten in vielen Bereichen der Flugsteuerung genutzt werden, nicht nur beim MCAS. Die Europäer befürchten, dass bei einem Sensordefekt uneinheitliche Werte zu weiteren Problemen führen könnten.

Synthetic Airspeed statt drittem Sensor?

Eine Easa-Sprecherin verwies gegenüber der Seattle Times darauf, dass der Airbus A320 über drei Anstellwinkelsensoren verfügt. Man wolle, dass Boeing ein System präsentiere, «das dem in einer Weise entspricht, aber nicht unbedingt ein dritter Sensor sein muss».

Solch eine Alternative könnte eine Anzeige der sogenannten Synthetic Airspeed sein, also einer errechneten Fluggeschwindigkeit relativ zur Luft. Im Langstreckenflieger Boeing 787 ist dieses System standardmäßig eingebaut. Dabei wird das Tempo des Flugzeugs aus Daten der Anstellwinkel-Sensoren, aber auch aus anderen Quellen indirekt berechnet. Er handelt sich also um eine ergänzende Kontrollangabe. Boeing hatte bei der ursprünglichen Entwicklung der 737 Max schon erwogen, eine Synthetic-Airspeed-Anzeige zum Einsatz zu bringen, aber sich dagegen entschieden – laut der Beschwerde eines Ex-Angestellten aus Kostengründen.

Warnsignale zu verwirrend

Die Easa verlangt von Boeing zudem Änderungen bei den Warnmeldungen im Cockpit der 737 Max. Die Untersuchungen zu den Abstürzen deuten darauf hin, dass die Vielzahl von optischen und akustischen Warnsignalen die Piloten überforderte und verwirrte.

Die kanadische Luftfahrtbehörde Transport Canada fordert von Boeing zudem Verbesserungen beim Stick Shaker. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Warnsingnal: Wenn dem Flugzeug ein Strömungsabriss droht, vibriert das Steuerhorn des Piloten. Beim Ethiopian-Unglück war das sechs Minuten lang der Fall. Die Kanadier wollen, dass schon vor der Wiederzulassung der Max im Handbuch des Jets darauf hingewiesen wird, wie der Stick Shaker deaktiviert werden kann – mittels eines Schalters über den Köpfen der Piloten.

Behörden auf einer Linie

Ein Informant aus dem Umfeld der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA sagte gegenüber der Seattle Times, dieser Schalter sei aber eigentlich für Wartungszwecke gedacht, nicht zur Nutzung während des Fluges. Es würde sich daher um eine kurzfristige Lösung handeln. Langfristig müsste Boeing dann wohl eine andere Lösung präsentieren.

Laut Angaben der Zeitung stehen zwar viele Details noch nicht fest und es gibt kleinere Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden aus den USA, Europa und Kanada. Im Großen und Ganzen seien diese aber auf einer Linie, was den Bedarf an den zusätzlichen Änderungen angehe. Boeing soll auch bereits Vorschläge vorgelegt haben.

Zeit bis Ende 2021?

Zwei Informanten sagten gegenüber dem Blatt, dass der Hersteller die Änderungen wohl bis spätestens zur Zertifizierung der größten Variante Boeing 737 Max 10 umsetzen müsste. Diese könnte in etwa Ende 2021 erfolgen. Die Easa-Sprecherin sagte, dass man sich auch aufgrund von Covid-19 noch nicht auf einen finalen Zeitplan geeinigt habe. Sobald die Anpassungen aber abgeschlossen und zertifiziert seien, müsste die bestehende 737-Max-Flotte weltweit so schnell wie möglich nachgerüstet werden.