Zu weit weg von der Basis
Wie Boeings Chef den Flugzeugbauer wieder auf Kurs bringen will
Der neue Boeing-Chef Kelly Ortberg muss ein schlechtes Quartalsergebnis verkünden - und die Mitarbeitenden auf seine Seite bekommen. Dafür wählt er deutliche Worte.
Kelly Ortberg: Er will die Kultur bei Boeing ändern.
Kelly Ortberg: Er will die Kultur bei Boeing ändern.
Es sind alles andere als erfreuliche Zahlen: Mehr als 5,7 Milliarden Dollar operativen Verlust und fast 6,2 Milliarden Dollar Nettoverlust vermeldet der Flugzeugbauer Boeing für das dritte Quartal 2024. Zehntausende Angestellte streiken, der Konzern kämpft mit Imageproblemen, ein wichtiges Flugzeugprogramm verspätet sich und die Produktion der Boeing 737 kann der amerikanische Hersteller nicht so hochfahren wie geplant.
Kein Wunder, dass Konzernchef Kelly Ortberg deutliche Worte findet, um den Angestellten zu sagen, wie es weitergehen soll. Zusammengefasst gebe es drei Hauptprobleme, schreibt Ortberg: «Das Vertrauen in unser Unternehmen ist geschwunden. Wir sind mit zu vielen Schulden belastet. Wir haben im gesamten Unternehmen schwerwiegende Leistungsmängel zu verzeichnen, die viele unserer Kunden enttäuscht haben.»
Außensicht half, die Probleme zu analysieren
Doch Ortberg, der Boeing seit August leitet, versichert, er habe einen Plan. «Meine Aufgabe hier ist also ziemlich einfach. Dieses große Schiff in die richtige Richtung zu lenken und Boeing wieder zu der Führungsposition zu verhelfen, die wir alle kennen und wollen», schreibt der Boeing-Chef. An vier Punkten will er ansetzen.
«Erstens brauchen wir einen grundlegenden Kulturwandel im Unternehmen. Zweitens: Wir müssen das Geschäft stabilisieren», so Ortberg. Drittens müsse man die Disziplin in allen Bereichen verbessern und viertens zugleich eine nachhaltige Zukunft für Boeing aufbauen.
«Wir müssen wissen, was vor sich geht»
Das mit dem Kulturwandel meint Ortberg offenbar ernst. Und er impliziert in seinen Bemerkungen auch, dass in der Vergangenheit einiges schief gelaufen ist und vor allem das Management etwas ändern muss. Er habe Jahrzehnte eine Außensicht auf Boeing gehabt. Als Chef von Collins Aerospace hatte er viel mit dem Flugzeugbauer zu tun. Das habe ihm geholfen, einen Überblick zu erhalten, was sich ändern muss, schreibt der Manager.
Kulturwandel beginne an der Spitze, so der Konzernchef. «Unsere Führungskräfte, angefangen bei mir, müssen eng mit unserem Unternehmen und den Menschen, die unsere Produkte entwerfen und herstellen, verbunden sein», schreibt Ortberg. Man müsse in den Fabrikhallen, in den Werkstätten und den Entwicklungsabteilungen vor Ort sein. «Wir müssen wissen, was vor sich geht, nicht nur mit unseren Produkten, sondern auch mit unseren Mitarbeitenden.»
Hoffnung auf Ende des Streiks
Nur so könne man verhindern, dass Probleme sich immer weiter verschlimmern. «Vor allem müssen wir verhindern, dass sich Probleme verfestigen, und besser zusammenarbeiten, um die Ursachen zu ermitteln, zu beheben und zu verstehen.» Dass er es ernst meint, hat er bereits gezeigt: Um in der Nähe der kriselnden Sparte der Verkehrsflugzeuge zu sein, ist er nach Seattle gezogen. Sein Vorgänger saß in Arlington im Bundesstaat Virginia – nahe der US-Regierung und dem Kunden Pentagon. Das hatte schon länger für Kritik gesorgt.
Gemeinsam müsse man nun die Werte für das Unternehmen neu definieren, so Ortberg an sein Personal gerichtet. «Anhand dieser Werte werden Führungskräfte dafür verantwortlich sein, wie sie unsere Teams bei der Bereitstellung sicherer, qualitativ hochwertiger Produkte und Dienstleistungen für unsere Kunden anleiten.»
Seit 13. September dauert der Arbeitskampf
Bezogen auf den Streik der Werksmitarbeitenden gibt sich Ortberg optimistisch. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Paket, das wir vorgelegt haben, es unseren Mitarbeitern ermöglichen wird, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, damit wir uns sofort auf die Wiederherstellung des Unternehmens konzentrieren können.» Noch am Mittwoch (23. Oktober) stimmen die Gewerkschaftsmitglieder über den neuen Vorschlag von Boeing ab.
Der Streik von rund 33.000 Mitarbeitenden dauert schon seit dem 13. September an. «Ich habe mich bereits in der ersten Woche nach meinem Amtsantritt mit der Gewerkschaftsführung getroffen und sie wissen lassen, dass ich mich für eine Neuordnung der Beziehungen einsetzen werde», so Ortberg dazu. «Und ich setze mich weiterhin dafür ein, das Team zurückzugewinnen und unsere Beziehungen zu verbessern, damit wir uns in Zukunft nicht mehr so weit voneinander entfernen.»