Letzte Aktualisierung: um 12:51 Uhr

Bogi Nils Bogason, Icelandair

«Boeing 787 und Airbus A330 Neo sind für Icelandair sehr interessant»

Icelandair-Chef Bogi Nils Bogason spricht im Interview über Airbus A321 XLR und LR, über geeignete Boeing-787- und A330-Neo-Varianten und über den Wettbewerber Play.

Icelandair betreibt die Boeing 737 Max 8 und 9. Könnten auch die kleinere Max 7 und die größere Max 10 interessant werden für Sie?
Bogi Nils Bogason*: Nein. Die Max 7 hat für uns zu wenig Kapazität und die Max 10 hat zu wenig Reichweite für unsere Flüge Richtung Westen. Daher sind die Max 8 und die Max 9 die besseren Flugzeuge für unser Netzwerk und wir werden ganz auf sie setzen. Mit beiden sind wir sehr zufrieden, sie haben mehr Reichweite als erwartet und sind sehr effizient.

Für noch längere Strecken haben Sie den A321 XLR bestellt. Aber Airbus musste aufgrund des Brandschutzes Änderungen an dem Flugzeug vornehmen. Befürchten Sie, dass die maximale Reichweite geringer sein könnte als erwartet?
Wir freuen uns einfach darauf, den A321 XLR in unsere Flotte aufzunehmen, und sehen viele Möglichkeiten, die sich durch die Reichweite und Nutzlast dieses Flugzeugs ergeben. Wir werden in der Lage sein, an der Westküste der USA nach San Francisco zu fliegen, Los Angeles, einige Städte in Texas. Und Richtung Osten etwa nach Dubai oder Indien. Aber das sind bisher alles nur Optionen, wir haben dazu noch keine Entscheidungen getroffen.

Sie planen mit dem Airbus A321 XLR erst ab 2029, vorher werden Sie aber schon A321 LR leasen. Wie sieht der Zeitplan dafür aus?
Wir haben uns für den Sommer 2025 vier Airbus A321 LR im Leasing gesichert, die wir im Winter 2024/2025 von SMBC Aviation Capital erhalten. 2026/2027 sollen weitere folgen, während wir unsere Boeing 757 ausmustern, aber dazu haben wir noch keine endgültigen Vereinbarungen getroffen, das ist ein laufender Prozess.

Wie lange laufen die Leasingverträge für die ersten vier?
Zwölf Jahre.

Ist Icelandair auch an größeren Flugzeugen interessiert, Boeing 787 oder Airbus A330 Neo?
Die Airbus A321 LR und XLR ersetzen unsere Boeing 757. Darüber hinaus haben wir derzeit drei Boeing-767-Passagierflieger und zwei Boeing-767-Frachter. Wir haben noch keine Entscheidung über den Ersatz der Boeing 767 im Passagiernetzwerk getroffen.

Aber diese beiden Modelle dürften die Kandidaten sein, oder?
Ja, auf jeden Fall. Boeing 787 und Airbus A330 Neo sind für Icelandair sehr interessante Flugzeuge für die Zukunft.

Beide Flugzeuge gibt es in verschiedenen Größen. Welche wäre interessant für Sie?
Die Boeing 767 haben bei uns 262 Plätze in zwei Klassen. Diese Größe passt sehr gut zum Netzwerk. Wir werden uns nach Flugzeugen mit einer ähnlichen Kapazität umsehen.

Das passt zu den kleineren Varianten, also Boeing 787-8 und A330-800.
Ja, durchaus.

Schauen wir mal auf die kleinsten Flugzeuge der Icelandair-Flotte: Ihre De Havilland Canada Dash 8 sind im Durchschnitt auch schon 23 Jahre alt. Wie sieht Ihr Modernisierungsplan aus?
Wir haben jeweils drei Dash 8-200 und -400. Sie funktionieren sehr gut und daher haben wir noch Zeit, uns mit diesem Teil der Flottenstrategie zu beschäftigen. Vorerst werden wir keine Änderungen vornehmen.

De Haviland Dash 8-200 von Icelandair. Bild: Icelandair

Die Flugzeuge sind Ihnen nicht zu alt?
Nein, sind sie nicht. Sie sind sehr zuverlässig und wir sind sehr zufrieden mit ihnen. In den nächsten zwei bis drei Jahren erwarte ich daher keine großen Veränderungen.

Sie benötigten bald auch Pilotinnen und Piloten für Flugzeuge von Airbus. Und Cockpitcrews sind derzeit stark umworben. Wird das zur Herausforderung?
Wir werden einige neue Pilotinnen und Piloten mit Airbus-Erfahrung einstellen und einige unserer derzeitigen Boeing-757- und 767-Piloten künftig auf Airbus umschulen. Wir sind auf dem Markt aber in einer sehr guten Position. Viele Pilotinnen und Piloten wollen für Icelandair arbeiten.

Weil es in Island hohe Löhne gibt? Oder woran liegt das?
Wir bieten einfach sehr gute und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen. Icelandair gibt es schon seit vielen, vielen Jahren und wir arbeiten wirklich gerne für diese Fluggesellschaft. Daher haben wir immer viele Bewerber.

Rekrutieren Sie außerhalb Islands mehr in Europa oder in Nordamerika?
Wir haben einige Cockpitcrew-Mitglieder aus Europa, aber die meisten stammen aus Island. Außerdem haben wir vor der Pandemie ein Cadet-Programm gestartet, um junge Menschen bei der Ausbildung zur Pilotin oder zum Piloten zu unterstützen.

Sind die hohen Gehälter in Island eine wirtschaftliche Herausforderung für Icelandair?
Wir haben in Island im Allgemeinen einen sehr hohen Lebensstandard und hohe Gehälter. Daher muss unser Produktangebot und unser Service mit diesem Umfeld im Einklang stehen und hohe Einnahmen generieren. Das hat zuletzt sehr gut funktioniert.

Viele Airlines in Europa drücken ihre Kosten, indem sie Tochtergesellschaften im steuergünstigen Malta gründen. Kommt so etwas für Icelandair infrage?
Nein, das steht nicht auf unserer Agenda. Wir sind ein isländisches Unternehmen, Island ist unser Drehkreuz und unser Zuhause, darauf konzentrieren wir uns.

Es bleibt abzuwarten, ob der Markt groß genug ist für Icelandair und Play.

Sie steuern auch Ziele in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Wie läuft dieses Geschäft und wie sind Ihre Pläne?
Die deutschsprachigen Länder sind ein wichtiger Markt, in dem wir wachsen wollen. Wir fliegen aktuell nach Berlin, Frankfurt, München, Zürich und saisonal nach Hamburg und Genf sowie während der Skisaison nach Innsbruck und Salzburg. Wir planen, in den kommenden Jahren sowohl die Frequenz zu aktuellen Zielen zu erhöhen, als auch weitere Ziele ins Netzwerk aufzunehmen. Ich kann aber noch keine verraten.

Mit Play haben Sie einen isländischen Konkurrenten auf der Kurz- und Mittelstrecke bekommen, der viele Ziele anfliegt, die auch Icelandair ansteuert. Macht Play Ihnen zu schaffen?
Play ist ein Wettbewerber, den wir willkommen heißen und respektieren. Island ist sowieso ein wettbewerbsintensives Umfeld. Während der Hochsaison fliegen 25 bis 30 Airlines hierher, darunter viele große Fluggesellschaften aus Europa und Nordamerika. Wir haben die Konkurrenz im Auge, aber müssen uns vor allem auf unseren Betrieb konzentrieren und uns ständig verbessern. Und im Vergleich zu Play haben wir ein ganz anderes Angebot, mit zwei Service-Klassen, Wifi, Bordunterhaltungssystem und höheren Frequenzen.

Aber glauben Sie, dass der Markt in Island auf lange Sicht groß genug ist für Icelandair und Play?
Es bleibt abzuwarten, ob der Markt groß genug ist für Icelandair und Play, denn obwohl beide Unternehmen im letzten Sommer Gewinne erwirtschaftet haben, müssen sie auf Ganzjahresbasis rentable sein, um nachhaltig arbeiten zu können. Es gibt nicht viele andere Flughäfen auf der Welt, die von zwei Fluggesellschaften als Drehkreuz genutzt werden, und dafür muss es einen Grund geben.

Ist es eine Option für Sie, die kleineren isländischen Flughäfen Akureyri und Egilsstaðir mit saisonalen Linienflügen mit Europa zu verbinden?
Wir haben das schon im Charterbetrieb getan und werden es auch weiterhin tun. Aber im eigenen Linienbetrieb ist unsere Strategie, internationale Flüge nach Akureyri und Egilsstaðir über Umsteigeverbindungen in Keflavík anzubieten.

Boeing 737 Max von Icelandair. Bild: Icelandair

In Ihrem Sommerflugplan 2023 stand zum ersten Mal Tel Aviv. Haben Sie Hoffnung, dass das auch im Sommer 2024 wieder möglich sein wird?
Zunächst einmal sind wir sehr traurig über die Situation und unser Herz ist bei den Menschen, die dort leiden. Wir hatten eine erfolgreiche Saison nach Tel Aviv. Als der Krieg ausbrach, hätten wir noch drei Flüge gehabt, die gestrichen wurden. Als Ziel für diesen Winter war es sowieso nicht eingeplant. Wir haben eine Pause für 2024 beschlossen, langfristig sehen wir Tel Aviv aber definitiv als Ziel in unserem Netzwerk.

Eine Frage zum Produkt: Warum haben Sie keine Premium Economy als weitere Sitzklasse?
Wir fliegen längere Routen nach Nordamerika und kürzere nach Europa – beides mit derselben Flotte und Kabine. Unser Saga-Premium-Produkt ist wahrscheinlich eines der schönsten Business-Class-Produkte für Europa-Strecken. Und mit Blick auf die längeren Routen nach Nordamerika schneidet die Saga Premium sehr gut ab im Vergleich mit der Premium Economy anderer Airlines, und das zu wettbewerbsfähigen Preisen. Daher sind zwei Klassen für uns genau richtig. Seit Ende der Pandemie konnten wir die Auslastung der Saga Premium zudem steigern und damit unsere Umsätze erhöhen. Wir sind sehr zufrieden mit unserem derzeitigem System.

Wie sind Ihre Pläne für die Cargoflotte?
Wir haben mit zwei Boeing-767-Frachtflugzeugen in mehr Kapazität investiert. Ein Boeing-757-Frachter haben wir bereits aus dem Verkehr gezogen, der zweite wird im Winter die Flotte verlassen. Dann werden wir noch die beiden Boeing 767 in der Cargoflotte haben, aber der Markt ist schwächer, als wir erwartet hatten. Nun müssen wir unsere Kapazität nach unten korrigieren und an die Marktnachfrage anpassen. Das bedeutet, dass wir andere Möglichkeiten für einen der Boeing-767-Frachter finden müssen.

Können Sie diese Boeing 767 frühzeitig an den Leasinggeber zurückgeben?
Nein, das ist nicht der Plan. Wir suchen aktiv auf dem Markt nach kurz- bis mittelfristigen Projekten.

Warum haben Sie sich so verschätzt?
Dass der Markt sich nach der Pandemie abschwächen wird, sobald die Passagiernetze wieder ausgelastet sind, war klar – aber der Rückgang auf den internationalen Frachtmärkten war drastischer, als wir erwartet hatten. Außerdem ist auch das lokale Geschäft mit Lachs- und Weißfischzucht schwächer als erwartet. Daher müssen wir nun die Kapazität an die Nachfrage anpassen. Dennoch wird Fracht auch künftig ein wichtiger Teil unseres Geschäftsmodells sein.

Wir halten es für realistisch, dass ein CO2-freies Flugzeug noch vor Ende des Jahrzehnts unsere jetzigen Flugzeuge im Inlandsbetrieb ersetzt.

Sie haben eine Kooperation mit Heart Aerospace zu elektrisch betriebenen Flugzeugen und mit Universal Hydrogen zu Wasserstoffantrieben. Ersetzen Elektroflieger in Zukunft ihre Dash 8, oder rüsten Sie sie auf Wasserstoffantrieb um?
Wir halten es für realistisch, dass ein CO2-freies Flugzeug noch vor Ende des Jahrzehnts unsere jetzigen Flugzeuge im Inlandsbetrieb ersetzt. Denn da haben wir kurze Flüge, die aktuell ab Reykjavik etwa nach Akureyri nur 35 Minuten und nach Egilsstaðir nur 40 Minuten dauern. Deshalb arbeiten wir mit diesen Unternehmen zusammen. Ob Elektro- oder Wasserstoffantrieb schneller bereit sein wird, werden wir sehen.

 

*Bogi Nils Bogason ist seit Dezember 2018 Präsident und CEO der Icelandair Group, nachdem er seit 2008 als Finanzchef und seit August 2018 als Interimspräsident und CEO tätig war. Zuvor arbeitete er unter anderem als Finanzchef bei der Investmentbank Askar Capital und beim Meeresfrüchte-Konzern Icelandic Group und sowie als Wirtschaftsprüfer und Partner bei KPMG in Island.

Dieses Interview wurde vor Beginn der aktuellen Vulkan-Aktivitäten in Island geführt.