Erst am Pistenende abgehoben
Boeing 737 entging in Belfast knapp einer Katastrophe
Piloten von Sunwing Airlines kalkulierten den Abflug in Belfast falsch. Sie schafften es nur knapp, ihre Boeing 737 in die Luft zu bekommen und rasierten einen Scheinwerfer ab, wie der Untersuchungsbericht zeigt.
Etwas fehlt: Die Boeing 737 rasierte die Leuchte m Ende der Piste ab.
Etwas fehlt: Die Boeing 737 rasierte die Leuchte m Ende der Piste ab.
Etwas mehr als 30 Meter hinter dem Ende von Belfasts Landebahn 07 und mittig platziert, dirigieren fünf Scheinwerfer landende Flugzeuge herunter. Am 21. Juli 2017 fehlte nachdem Start eines Fluges von Thomson Airways – jetzt Tui Airways – plötzlich der mittlere Teil der Befeuerung. Die startende Boeing 737-800 hatte massive Probleme beim Beschleunigen und rasierte den Scheinwerfer ab, wie ein Untersuchungsbericht der britischen Untersuchungsbehörde AAIB offenlegt .
Als der Kapitän der kanadischen Sunwing Airlines, die im Auftrag von Thomson Airways die Urlauber von der nordirischen Stadt nach Korfu transportierte, bemerkte, dass die Triebwerke nicht so viel Schub lieferten wie sie sollten, war es für einen Startabbruch bereits zu spät. Die Ausbremsstrecke hätte nicht mehr gereicht. Den Piloten gelang es erst auf den allerletzten Metern der etwa 2800 Meter langen Startbahn, das Flugzeug in die Luft zu bekommen.
Fehler mit der Temperatur
Dabei riss das Fahrwerk des Flugzeugs die ungefähr 35 Zentimeter hohe Lampe der Anflugsbefeuerung ab. Radaraufzeichnungen zeigen, dass die Boeing die ersten vier Kilometer in der Luft sehr langsam stieg und dabei nur rund 240 Meter an Höhe gewann, ehe die Piloten die Probleme in Griff bekamen. Ohne weitere Vorkommnisse ging der Flug weiter nach Griechenland. Beschädigt wurde die Boeing nicht, das AAIB stuft den Vorfall dennoch als schwer ein.
Den Grund für das viel zu späte Abheben konnten die Ermittler rasch finden. Bei der Eingabe der Außentemperatur in den Bordcomputer gab die Besatzung versehentlich minus 52 Grad Celsius ein – statt des eigentlichen Wertes von 16 Grad. Es ist ein dramatischer Unterschied. Das System ging somit von deutlich dichterer Luft aus, welche die Leistung der Triebwerke beim Start entscheidend verbessert. Mit den falschen Angaben gefüttert, gab die automatische Schubkontrolle somit weniger Schub als für ein sicheres Abheben eigentlich benötigt.
Antrainierte Verhaltensweisen
Den Fehler bemerkten der Kapitän und der Kopilot erst, als die Boeing schon mehr als drei Viertel der Startbahn passiert hatte. Die Unfallbehörde beschäftigte sich insbesondere mit der Frage, warum die Crew nicht den Schub erhöhte und wurde bei einer unter Piloten üblichen Angewohnheit fündig. Sobald beim Starten eine Notbremsung nicht mehr möglich ist, legen die Piloten laut Vorschrift beide Hände an den Steuerknüppel. Laut den Ermittlern wäre der Griff zurück zum Schubhebel ein unnatürlicher Reflex gewesen. In der stressigen Situation vertrauten die Besatzung also instinktiv auf die antrainierten Verhaltensweisen.
Auch wenn der Fehler durch menschlichen Versagen entstand und die falsche Eingabe auch durch eine vorgeschriebene Nachkontrolle nicht bemerkt wurde, bemängelten die Unfallermittler auch die Auslegung des Bordcomputers. So würde durchaus die Möglichkeit bestehen, dass das System den Fehler selber hätte merken können. Da das Flugzeug die Außentemperatur bereits selbst misst, hätte ein Abgleich mit der falschen Temperatur Alarm schlagen können.
Keine richtige Referenz
Ebenfalls kritisiert wird das Programm, mit welchen die Piloten den Start berechneten. Dieses zeigte bei der Flugplanung nicht die eigentlich benötigte Triebwerksleistung an, weshalb die Crew keine richtige Referenz hatte. Mit Hinblick auf Vorfälle ähnlicher Art, mahnt das AAIB das Warnsysteme zur Vermeidung solcher Pilotenfehler mittlerweile problemlos realisierbar seien.
Den Untersuchungsbericht finden Sie hier zum Download.