Interview mit Alexis von Hoensbroech, Austrian Airlines
«Austrian Airlines betreibt am Ende nur noch ein Langstreckenmodell»
Alexis von Hoensbroech, Chef von Austrian Airlines, über die Klimadiskussion, Die Vorteile gegenüber Wizz Air und Lauda, die Gebühren in Wien, Airbus A350 oder Boeing 787 und den Wunsch nach A320 Neos.
Alexis von Hoensbroech: «Es kommt aber auch das eine oder andere gebrauchte Flugzeugmuster in Frage».
Alexis von Hoensbroech: «Es kommt aber auch das eine oder andere gebrauchte Flugzeugmuster in Frage».
Sie haben fünf Kinder, ihr ältestes ist jetzt zwölf Jahre alt. Diskutieren die mit ihnen am Essenstisch auch mal über den Klimawandel?
Ja klar. Die Klimadebatte ist auch bei uns Zuhause ein großes Thema. Meine älteste Tochter wollte auch schon die Schule schwänzen, um an die Klimademo zu gehen. Während ich es gut finde, wenn sie demonstriert, finde ich nicht, dass sie dafür Gesetze brechen darf (schmunzelt). Diese Auseinandersetzung ist aber für mich schon sehr wertvoll, denn man muss gerade in unserer Branche eine Sensibilität für die ökologischen Themen haben.
Der Druck auf die Fluggesellschaften ist ja auch gerade so groß wie nie zuvor…
Ja, es ist das beherrschende Thema derzeit und es wird es auch noch eine ganze Weile bleiben. Zu Recht. Wir als Menschheit haben hier eine riesige Verantwortung. Wir müssen den Klimaschutz vorantreiben.
Das sind ungewöhnlich klare Ansagen für einen Chef aus der Luftfahrt…
Fliegen wird noch lange CO2 ausstoßen. Das lässt sich physikalisch gar nicht verhindern. Denn elektrisches Verkehrsflugzeuge wird es in den nächsten Jahrzehnten noch nicht geben. Die dazu notwendigen Batterien sind einfach noch viel zu groß und schwer. Wenn Sie den Energieinhalt eines Kilogramms Kerosin in eine Batterie packen, ist diese 70 Kilogramm schwer. Eines unserer Langstreckenflugzeuge tankt rund 100 Tonnen Kerosin. Man sieht, das ist zumindest in naher Zukunft unmöglich. Zugleich nimmt die Nachfrage weltweit zu, weil sich immer mehr Menschen Flugreisen leisten können. Das ist auch gut so. Fliegen verbindet Menschen und verteilt Wohlstand. Dass wir noch nie eine so friedliche Zeit hatten wie jetzt, liegt sicher auch daran, dass Menschen so viel reisen und sich untereinander austauschen. Fliegen macht die Welt eben auch ein Stück besser. Aber… Fliegen verursacht auch CO2, gerade darum haben wir als Branche eine große Verantwortung. Die nehmen wir wahr, müssen sie aber vielleicht noch stärker wahrnehmen.
Wir setzen unter anderem auf synthetische Treibstoffe.
Machen die Luftfahrtbranche und Austrian Airlines wirklich genug?
Man muss zuerst immer die Größenverhältnisse sehen. Die Luftfahrtbranche ist weltweit für 2,5 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die gesamte Lufthansa-Gruppe stößt so viel CO2 aus, wie ein Kohlekraftwerk. Es ist also nicht ganz fair, wenn nun mit dem Finger nur auf uns gezeigt wird. Ich will mich damit nicht aus der Verantwortung stehlen, aber man muss das im Hinterkopf haben. Dann muss man auch sehen, dass der Luftverkehr der einzige Verkehrsträger ist, der sich in einem globalen Rahmen ein verbindliches Ziel zur CO2-Reduktion gesetzt hat. Im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Icao hat sie sich vorgenommen, ab 2020 klimaneutral zu wachsen – durch modernere Technologie und Kompensation. Bis 2050 wird die Branche ihren Ausstoß sogar halbieren. Der Weg dazu sind vor allem synthetische Treibstoffe.
Und wie wollen Sie das bei Austrian Airlines erreichen?
Wir setzen unter anderem auf synthetische Treibstoffe. Wir sammeln beispielsweise die Plastikbecher im Flugzeug alle ein, das sind 15 Millionen Stück pro Jahr. Die werden zu neuem, CO2-neutralem Kerosin verarbeitet. Das mischen wir unserem Treibstoff bei. Das ist natürlich nur ein erster Schritt, die Menge reicht aber immerhin für ein paar innerösterreichische Flüge. Aber in dieser Richtung müssen wir weitermachen.
Druck gibt es nicht nur von der Umweltseite, neu in den Markt eingetretene Billigairlines machen Ihnen gerade an ihrem Drehkreuz Wien das Leben schwer. Die Preise sinken und das sorgt für Verluste…
Als Air Berlin und Niki pleite gingen, haben sehr viele die Idee gehabt, diese Lücken zu schließen. Auch wir selbst, wir haben fünf zusätzliche Airbus A320 eingeflottet. Es war eine Art Goldrausch-Stimmung. Nur ist inzwischen kaum mehr Gold zu finden in Wien. Es ist gerade für alle sehr, sehr hart.
Sie machen die Preisschlacht mit. Ist das nicht kontraproduktiv?
Wir kämpfen um unsere Kunden. Daher ist das eine gute Nachricht. Zudem glauben wir nicht, dass der Wettbewerb für immer so intensiv bleiben wird. Der Markt wird sich beruhigen, auch wenn die Preise nicht mehr so hoch sein werden, wie sie es einmal waren. Denn die meisten Lowcoster werden bleiben.
Die Abschaffung des kostenlosen Essens ist natürlich ein Thema, das wir uns immer wieder anschauen.
Aber hat AUA als Netzwerkairline da überhaupt eine Chance? Immerhin liegen Ihre Produktionskosten um ein Vielfaches höher als etwa bei Wizz Air oder Lauda…
Erstens sind auch wir daran, unsere Kosten zu senken. Wir flotten gerade unsere Turbopropflieger vom Typ Dash 8 aus und ersetzen sie mit Airbus A320. Das alleine bringt eine Verbesserung der Sitzplatzkosten um 40 Prozent. Zweitens schauen wir uns auch sonst unsere Kosten an.
Dürfen wir da kurz einhaken? Sie haben angekündigt, in der Verwaltung zu sparen. Gibt es da schon erste Ergebnisse?
Nein, wir analysieren das noch. Wir werden die Resultate im vierten Quartal bekannt geben. Dann wissen wir, welche Bereich es betreffen wird.
Es werden Stellen gestrichen?
Ja, das ist kaum zu umgehen. Aber wo und wie viele, das wissen wir noch nicht.
Zurück zu den Vorteilen, die AUA gegenüber den neuen Mitbewerbern hat…
Wir haben drittens auch einen gewaltigen Vorteil, wir betreiben in Wien ein Drehkreuz. Und daher haben wir eine Grundauslastung von 50 Prozent Umsteigern. Viertens schaut der Kunde nicht nur auf den Preis. Unser Angebot ist objektiv gesehen deutlich besser als bei der Konkurrenz, wir haben das größte Streckennetz, die beste Pünktlichkeit, den besten Service. Dafür sind viele bereit, mehr zu bezahlen. Wir können trotz des intensiven Wettbewerbs in Wien unsere Auslastung derzeit steigern. Das freut uns.
Swiss hat in Genf das kostenlose Essen auf der Kurzstrecke abgeschafft. Chef Thomas Klühr sagte, die Lufthansa-Gruppe überlege ähnliches für weitere Standorte. Könnte das in Wien angesichts der Konkurrenzsituation eine Thema werden?
Es ist natürlich ein Thema, das wir uns immer wieder anschauen. Aber es ist nichts spruchreif. Die Abschaffung von kostenlosem Essen und Getränken hat allerdings nicht nur mit den Kosten zu tun, sondern ist einfach auch ein Trend in der Branche. Essen gibt ja auch bei keinem anderen Verkehrsmittel gratis, insofern ist das heutige System der Airlines auch etwas merkwürdig. Aber letztlich hängt das vom Kundenwunsch ab.
Es wäre fahrlässig, auf die Marke Austrian Airlines zu verzichten.
Könnte es zudem sein, dass Eurowings mit ihren tieferen Kosten in Wien weitere Strecken von AUA übernimmt?
Die Eurowings gehört zur Lufthansa-Gruppe. Und wenn es Möglichkeiten gibt, etwas wirtschaftlicher zu machen, dann schaut man sich die in einer Gruppe logischerweise auch an. Aktuell ist nichts geplant, aber wir schauen uns das von Jahr zu Jahr wieder an.
Und könnte die Marke Austrian Airlines auf der Kurzstrecke vielleicht einmal verschwinden, so wie es nun bei Brussels passiert?
Nein, das ist nicht geplant. Die Marke Austrian Airlines ist in Österreich sehr hoch angesehen. Es wäre fahrlässig, auf sie zu verzichten.
Zugleich geben sie die dezentralen Flüge ab anderen Flughäfen in Österreich an Lufthansa-Airlines ab. Riskieren Sie damit nicht, den Pluspunkt als Nationalairline in diesen Regionen zu verlieren, wie das etwa in der Schweiz mit Swiss in Basel und Genf passiert ist?
Am Ende ist für die Kunden entscheidend, ob wir als Lufthansa Gruppe ein gutes Angebot bieten können. Mit dem Schritt an den regionalen Flughäfen werden wir es eher verbessern. Heute fliegen wir mit Turboprops, die vor Ort stationiert sind. Wenn die einmal ein technisches Problem haben, fallen gleich alle Flüge aus. Künftig ist das nicht mehr so, weil die Maschinen aus Drehkreuzen heraus operieren. Zudem können wir auch besser auf Nachfrageschwankungen reagieren. Allgemein kann man die Schweiz aber auch nicht mit Österreich vergleichen. Wien vereint 85 Prozent aller Passagiere auf sich, die Konzentration ist hier größer.
Den Preisdruck haben sie letztes Jahr schon deutlich gespürt, der Betriebsgewinn sank ohne Spezialeffekte auf gegen die Hälfte. Das erste Quartal 2019 war tiefrot. Was ist Ihre Prognose jetzt fürs ganze Jahr, wo die erste Hälfte fast um ist?
Es ist für uns bei Austrian Airlines ein herausforderndes Jahr. Unser Ergebnis wird stark unter Druck sein – weil wir im Europageschäft diesen Hyperwettbewerb in Wien spüren. Das Langstreckengeschäft dagegen entwickelt sich sehr passabel.
Während das Europageschäft schwierig ist, machen die Langstrecken Ihnen zunehmend Freude. Ihr Vorgänger hat das Streckennetz neu ausgerichtet. Sind jetzt alle Routen profitabel?
Wir haben uns sehr viel stärker auf Geschäftsreiseziele konzentriert. Dort fliegen wir täglich hin, dafür bieten wir insgesamt weniger Destinationen an. Wir sehen, dass sich das ordentlich auszahlt. Die Rendite ist höher als früher, natürlich aber sind nicht alle Strecken gleich profitabel.
Der Ersatz der Boeing 767 hat für uns eine hohe strategische Priorität.
Haben Sie auch weitere neue Ziele im Visier?
Wir bekommen aktuell keine weiteren Flugzeuge. Wenn wir also eine neue Destination aufnehmen möchten, müssten wir eine andere aufgeben. Wir überprüfen natürlich jedes Jahr unser Streckennetz und haben auch gewisse Ideen. Aber aktuell ist nichts geplant.
Diese Ideen, wo liegen die – eher östlich oder westlich?
Wir haben ja vor allem unser Nordamerikaportfolio ausgebaut. Das liegt auch daran, dass es auf diesen Strecken keine irrational agierenden und staatlich subventionierten Anbieter aus dem Nahen Osten gibt, wie Richtung Osten, die unfair im Wettbewerb mitspielen können. Insofern eher im Westen.
Bei der Bekanntgabe der neuen Strategie #DriveTo25 im Januar haben Sie gesagt, dass Sie ihre sechs derzeit durchschnittlich 23 Jahre alten Boeing 767 «perspektivisch» ersetzen werden. Perspektivisch ist alles, was in der Zukunft liegt. Können Sie in puncto Zeithorizont etwas genauer werden?
Wir werden in unsere Langstreckenflotte investieren müssen, wenn wir vermeiden wollen, dass sie schrumpft. Die Boeing 767 sind sehr gut gewartet und technisch voll auf der Höhe und zudem dank tiefer Kapitalkosten auch finanziell noch immer attraktiv. Aber wir kommen da wirklich langsam in eine Alter, wo es ratsam ist, sie zu ersetzen. Das hat für uns eine hohe strategische Priorität.
Das heißt, Sie legen dem Konzernvorstand bald einen Antrag vor?
Wir versuchten das immer wieder. Wir müssen dem Vorstand von Lufthansa aber beweisen können, dass wir mit neuen Flugzeugen eine zumindest vergleichbare Rendite einfliegen können wir an anderen Standorten der Gruppe, wie etwa München oder Zürich. Das war bislang schwierig.
Jetzt glauben Sie aber daran?
Wir müssen dem Vorstand ein wirklich attraktives Szenario vorlegen können. Aktuell geht der Trend in die richtige Richtung. Mit moderneren Flugzeugen würde unsere Rechnung auf der Langstrecke nochmals klar besser aussehen. Zudem muss man in diesem Zusammenhang sicherlich auch nochmals die Standortbedingungen anschauen…
Das heißt nicht, dass man in puncto Gebühren in Wien zur Stärkung unseres Drehkreuzes nicht noch mehr machen könnte.
Das heißt, Sie verlangen tiefere Gebühren vom Flughafen Wien?
Wir sind natürlich immer mit der Flughafenführung im Gespräch. Das heißt aber nicht, dass man zur Stärkung unseres Drehkreuzes nicht noch mehr machen könnte. Dass es uns gut geht, liegt auch im ureigensten Interesse des Standorts. Wir bedienen von Wien aus 130 Destinationen. Wenn wir auf der Langstrecke abbauen müssen, schrumpft das Europanetz auch – mit Folgen für viele andere am Standort.
Lufthansa hat kürzlich 20 weitere Airbus A350-900 und 20 Boeing 787-9 bestellt. Ist das auch Ihre Auswahl für die 767 oder wäre auch ein anderes Modell möglich?
Wir sind da relativ unemotional. Es ist eine wirtschaftliche Fragestellung. Wir schielen aber natürlich schon auf das eine oder andere Flugzeug, das der Lufthansa-Konzern bestellt hat. Es kommt aber auch das eine oder andere gebrauchte Flugzeugmuster in Frage.
Könnte es auch sein, dass Sie Flieger von anderen Gruppen-Airlines übernehmen?
Grundsätzlich ist auch das denkbar. Die Lufthansa-Gruppe muss schließlich schauen, wie sie ihre Flugzeuge wo am besten einsetzen kann.
Wäre auch der A321 LR oder XLR etwas für AUA, um neue Strecken zu erschließen?
Am Ende hat der A321 LR doch nicht die Reichweite, die uns auf der Langstrecke helfen würde. Eine zusätzliche Teilflotte einzuführen, würde zudem die Komplexität erhöhen. Daher: Nein.
Die Neos sind aus unserer Sicht sehr interessante Flugzeuge.
Auch die Boeing 777 von Austrian werden nicht mehr unendlich lange fliegen. Sie sind im Schnitt 18 Jahre alt. Werden die auch «perspektivisch» ersetzt? Immerhin sind alte Flieger ja teurer im Betrieb und der Wartung.
Ja. Und für uns ist klar, dass wir am Ende nur noch ein Langstreckenmodell betreiben werden. Bei einer Flotte von derzeit zwölf Flugzeugen macht alles andere keinen Sinn. Bis es soweit sein wird, dauert es aber noch etwas.
Und werden es auch künftig zwölf Langstreckenflieger sein?
Wie viele Langstreckenflieger es künftig sein werden, ist noch offen. Es hängt wie bereits dargelegt von der Perspektive ab, die wir dem Konzern aufzeigen können. Wir kommen angesichts des Alters einiger Flugzeuge daher in nächster Zeit zwangsläufig an den Punkt, wo es sich entscheidet, wieviele Langstreckenflieger wir künftig betreiben.
Im Gegensatz zur Schwester Swiss sind für AUA bisher keine A320 Neos vorgesehen. Warum nicht, das würde Ihnen doch im Preiskampf in Wien auf der Kostenseite sehr helfen?
Kurzfristig ist da nichts geplant. Aber wir schauen uns den A320 Neo natürlich an. Wir haben schließlich auch in unser Kurz- und Mittelstreckenflotte ein paar Airbus-Jets, die schon älter sind und ersetzt werden müssen. Die Neos sind aus unserer Sicht sehr interessante Flugzeuge – nicht nur aus Kostensicht, auch weil sie leiser sind und das Lärmthema immer wichtiger wird.
Alexis von Hoensbroech (48) studierte Physik und promovierte anschließend in einem Thema aus der Astrophysik am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und der Universität Bonn. Seine Karriere startete der Rheinländer 1999 bei der Unternehmensberatung The Boston Consulting Group in München und Tokio. Im Jahr 2005 wechselte er zu Lufthansa, wo er die Verantwortung für den Bereich Strategie und Beteiligungen übernahm. 2009 wurde er zum Projektleiter Integrationsmanagement Airlines ernannt und verantwortete in dieser Funktion unter anderem auch die Integration von Austrian Airlines. Zwischen 2010 und 2014 war von Hoensbroech als Leiter Commercial Frankfurt für die Netzplanung und Buchungssteuerung des Lufthansa Drehkreuzes in Frankfurt zuständig. In dieser Funktion arbeitete er eng mit dem damaligen Passage-Vorstand Kay Kratky zusammen. Ab Dezember 2014 war er Chief Commercial Officer und Vorstandsmitglied von Lufthansa Cargo. Am 1. August 2018 wurde er neuer Chef von Austrian Airlines. Das Gespräch fand im Rahmen des Aviation-Event 2019 in Salzburg statt.