«Stimmung ist alles andere als gut»
[image 1]Gelingt es Austrian Airlines nicht, den Streit ums Sparpaket beizulegen, droht eine Bruchlandung, so ein Experte.
Airbus A319 von Austrian: Finanziell angeschlagen.
Airbus A319 von Austrian: Finanziell angeschlagen.
Das kommende Wochenende wird zum Prüfstein für das Management von Austrian Airlines. Am Freitag plant das Bordpersonal der hochdefizitären Lufthansa-Tochter eine Betriebsversammlung. Und die Piloten werden ihren stillen Protest an Pfingsten erneut über vermehrte Unwohlseinsmeldungen ausdrücken. Die Folge dürften schon wieder Flugausfälle sein. Lufthansa und Swiss helfen zwar aus. Doch ohne Probleme dürfte es in Wien-Schwechat auch dieses Mal nicht ablaufen. Das Personal der österreichischen Nationalairline ist unzufrieden mit dem Sparkurs ihrer Führung, welche den ganzen Betrieb an die Tochter Tyrolean auslagern will, die eine um rund einen Viertel tiefere Kostenstruktur hat. aeroTELEGRAPH sprach mit dem Luftfahrtexperten Günter Fritz, Chefreporter der Wirtschaftszeitung Wirtschaftsblatt, über die Situation bei Austrian Airlines.
[image 2]Aufgebrachtes Personal, Drohungen der Mutter Lufthansa, Totalumbau im Management: Wie kritisch ist der Zustand der AUA wirklich?
Günter Fritz: Kritisch ist vor allem die finanzielle Situation der AUA, die ja im ersten Quartal 67 Millionen Euro Verlust einflog. Die Passagierzuwächse sind an sich gut, der Wettbewerbs- und Preisdruck in der Branche aber weiter enorm – so wie bei anderen Airlines auch. Die Stimmung im Unternehmen ist nach dem erzwungenen Betriebsübergang zu Tyrolean und dem Umbau im Management aber alles andere als gut.
Sie erwähnten es: Das Management will den Betrieb vollständig in die Tochter Tyrolean auslagern. Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass das gelingt?
Fritz: Grundsätzlich sollte der Betriebsübergang gelingen, es wurden ja auch bereits die entsprechenden personellen und organisatorischen Änderungen eingeleitet. Ex-Swiss-Manager Gaudenz Ambühl kann mit seiner Erfahrung sicher helfen, den schwierigen Veränderungsprozess hinzubekommen. Ein Unsicherheitsfaktor sind aber die Klagen des Bordbetriebsrat und der Gewerkschaft, die gegen den Betriebsübergang eingebracht wurden. Sie werden die AUA jahrelang beschäftigen, bringen eine Rechtsunsicherheit mit sich und bedingen, dass dafür entsprechende Rückstellungen in der Bilanz aufgebaut werden müssen.
Was würde geschehen, wenn der Plan scheitert?
Fritz: Wenn der – wie das Management betont – die einzige Möglichkeit ist, die AUA zu sanieren, steht wohl eine Bruchlandung bevor. Die AUA könnte dann in die Pleite fliegen.
Das Personal sträubt sich vehement dagegen. Es hat einen eigenen Sparplan vorgestellt. Warum akzeptiert das Management diesen nicht?
Fritz: AUA-Chef Jaan Albrecht traf mit Rückendeckung von Mutter Lufthansa die Entscheidung zum Betriebsübergang. Vorherige Verhandlungen verliefen ergebnislos. Jetzt ist eine Umkehr offenbar nicht mehr möglich beziehungsweise nicht mehr gewollt. Aus Sicht des Managements ist der Betriebsübergang sicher die kostengünstigste Lösung.
Die AUA behauptet, man könne die Flugausfälle aufgrund der Ausfälle von Piloten wegstecken, weil der Lufthansa-Verbund einspringt. Stimmt das auf Dauer wirklich?
Fritz: Schwer zu sagen. An den vergangenen Wochenenden hat es da immer wieder Probleme gegeben. Es bleibt abzuwarten, wie das zu Pfingsten gehandhabt wird. Die echte Bewährungsprobe kommt aber ab Ende Juni – abhängig davon wie viele Piloten tatsächlich von ihrem Sonderkündigungsrecht unter Wahrung aller Ansprüche Gebrauch machen. Die Gewerkschaft spricht von bis zu 200 Piloten die abspringen könnten – das wäre wohl nicht so einfach zu kompensieren. Gerüchte, wonach Firmenkunden bereits über Alternativflüge zur AUA nachdenken sollen, werden vom Unternehmen zurückgewiesen.
Wäre es bei den hohen Abfindungen, die die Piloten erhalten, auch finanziell verkraftbar, wenn ein großer Teil sich für eine Kündigung entscheidet?
Fritz: Diese Szenario hat Albrecht wohl einkalkuliert. Sein ursprüngliches Angebot an das fliegende Personal lautete auf 100 Millionen Euro – also 45 Prozent der tatsächlichen Ansprüche. Das wurde aber abgelehnt. Das neue Sparpaket der Mitarbeiter sieht Abschlagszahlungen von 160 Millionen Euro vor – 55 Prozent. Das ist wiederum dem Management zu teuer.
Die Lufthansa schließt auch einen Verkauf der AUA nicht aus. Ist das eine leere Drohung oder durchaus eine Option?
Fritz: Ich denke, dass ist wohl mehr eine Drohung. Das entsprechende Zitat von Lufthansa-Chef Christoph Franz auf der Hauptversammlung ist ja so nicht gefallen, sondern wurde zugespitzt verbreitet.
Wer könnte denn überhaupt an der AUA interessiert sein?
Fritz: Ich sehe derzeit keine Käufer. Die Branchengrößen haben selbst genug Probleme. Zudem war schon der Verkaufsprozess an die Lufthansa in Österreich ein Politikum. Sollte sich nun etwa eine asiatische oder chinesische Airline interessieren, gäbe es wohl Vorbehalte dagegen. Ein Konkurs wäre wahrscheinlicher, den kann sich die Lufthansa als börsennotierter Konzern aber wohl nur schwer leisten. Gerüchtehalber wird in der Lufthansa-Zentrale deshalb über eine Schrumpfung der AUA nachgedacht.
Durch die AUA erschließt die Lufthansa einige wichtige osteuropäische Strecken – könnte sie auf diese im Fall eines Verkaufs so ohne Weiteres verzichten?
Fritz: Die Osteuropa-Verbindungen sind sicher der Aktivposten der AUA – um diese würde sicher ein Wettlauf mit anderen Fluggesellschaften einsetzen. Mitbewerber Air Berlin/Niki macht ja jetzt schon auf bestimmten Strecken der AUA verstärkt Konkurrenz.