Letzte Aktualisierung: um 20:56 Uhr

Sprechfunk in Argentinien

Pilot und Lotsin streiten nach heikler Situation

Eine ATR 72 von Avianca Argentina kam beim Abflug aus Buenos Aires einem anderen Flugzeug bedenklich nahe. Danach gab es im Sprechfunk einen Schlagabtausch.

Weder im Cockpit noch hinter dem Radarschirm erleben Piloten und Fluglotsen es gerne, wenn sich zwei Flugzeuge in der Luft gefährlich nahe kommen. Dass dies bei allen Beteiligten auch wohl viel Adrenalin freisetzen und mitunter zu einem Wortgefecht führen kann, zeigt ein Vorfall, der sich vergangene Woche (21. April) in Argentinien abgespielt hat.

Eine ATR 72-600 der Avianca Argentina befand sich auf einem Inlandsflug von Buenos Aires nach Santa Fe. Wenige Minuten nachdem das Flugzeug vom Stadtflughafen Aeroparque Jorge Newbery abgehoben war, kreuzte es in den Flugweg einer anfliegenden Embraer E190 der Austral Líneas Aéreas. Der Abstand war zwischen beiden Flugzeugen dabei geringer als zulässig.

Flugzeuge kommen sich zu nahe

«Wir hatten ungefähr 500 bis 300 Fuß Abstand mit anderem Verkehr, der gleich über uns von rechts nach links gezogen ist», funkte einer der Piloten wenige Augenblicke nach der Annäherung zur zuständigen Fluglotsin, wie es auf Tonaufzeichnungen zu hören ist. Eigentlich ist es vorgesehen, dass zwischen sich kreuzenden Flugzeugen ein vertikaler Mindestabstand von 1000 Fuß oder 305 Meter eingehalten wird.

Prompt kam auch die Rechtfertigung der Fluglotsin: «Ja, das ist korrekt – mein Herr. Da haben Sie absolut recht. Wenn Sie darüber einen Bericht erstatten wollen, dann tun Sie es. Es ist wegen der Überfüllung, die wir derzeit in dem Sektor haben, und der momentanen Arbeitsbelastung passiert.» Bis zu dem Zeitpunkt lief die Konversation noch im professionellen Ton ab.

«Sag mir das doch mal persönlich!»

Wenige Sekunden später ändert sich dies aber: «Die Wahrheit ist, dass ihr alle inkompetent seid. Das ist das Problem!» raunte plötzlich jemand durch den Sprechfunk. Von wem diese Pöbelei stammt, ist dabei unklar. Im Vergleich zum ATR-Piloten hört sich die Stimme anders an. Im ähnlichen Temperament antwortet die Lotsin: «Ja? Sag mir das doch mal persönlich, äh? Ich bitte drum!»

Doch anstatt die Situation zu deeskalieren, schob die scheinbar erzürnte Radarkontrolleurin wenige Sekunden später dem Nörgler noch ein «Idiot» hinterher. Dabei blockte sie für kurze Zeit den Funkspruch eines anderen Flugzeuges ab, welches sich in ihrem Radarbereich befand. Anschließend normalisierte sich alles wieder, ohne weitere Vorkommnisse setzten die ATR 72 und die E190 ihre Flüge fort.

Kritik an Personalmangel

Der Vorfall fand in den argentinischen Medien viel Beachtung. Kritiker bemängeln Personalmangel und schlechtes Equipment bei der Flugsicherung. «Es gibt große Mängel an der Infrastruktur. Die Radargeräte, die wir haben, sind sehr alt, so ein Sprecher des argentinischen Luftfahrtverbandes Unión Personal Superior Profesional Empresas Aerocomerciales UPSA gegenüber der Zeitung Perfil. «An mehreren Stellen fehlt es an Personal.»

Auch der Erste Offizier der ATR 72 meldete sich öffentlich zu Wort. Gegenüber dem Radiosender La Red äußerte der Pilot, dass sich die Gemüter nach der haarsträubenden Situation wohl aufgeschaukelt hätten. Jedoch sei die Situation nicht so dramatisch gewesen wie teilweise dargestellt. So herrschte an jenem Tag sehr gute Sicht, die Annäherung sei demnach gut zu überblicken gewesen.

Ermittlungen in die Wege geleitet

Vorab warnte zudem das Anti-Kollisions-System TCAS (Traffic Alert and Collision Avoidance System) die Besatzung der Avianca-Maschine davor, dass sich die Embraer E190 nähern wird. Die Nachrichtenseite Infobae berichtet, dass der für den Flug Hauptverantwortliche Kapitän die brenzlige Situation trotzdem bei der argentinischen Luftfahrtbehörde gemeldet habe. Diese hat nun eine Untersuchung angeordnet, um zu klären, wie es genau zu der gefährlichen Annäherung der beiden Flugzeuge kam.