Passion Fliegen
Reise mit dem merkwürdigsten Flugzeug der Welt
Die Ukraine ist die Heimat der Antonows. Auf einer Reise durch das Land lassen sich die speziellen Flieger kennen lernern. Und mit etwas Glück fliegt man auch mit einer Rarität.
Antonow An-74 von Motor Sich.
Die Piloten ließen uns ins Cockpit schauen.
Bordküche der An-74 (die eingezogene Treppe diente als Ablagefläche).
Die An-74 ist ein Frachtflugzeug (man beachte die Befestigungsvorrichtungen beim Fenster).
Antonow An-74 von Motor Sich.
Die Piloten ließen uns ins Cockpit schauen.
Bordküche der An-74 (die eingezogene Treppe diente als Ablagefläche).
Die An-74 ist ein Frachtflugzeug (man beachte die Befestigungsvorrichtungen beim Fenster).
Diese Reise in die Ukraine wartete mit einer Überraschung auf, welche die speziellen Flugzeuge auf dieser Reise in den Schatten stellen sollte. Das ungeplante Muster gehört zu meinem Aviatik-Highlights. Zuerst zum Plan:
Die Antonow An-140 ist ein zweimotoriges Turbopropflugzeug mit rund 50 Sitzplätzen. Es gibt nur ganz wenige Fluggesellschaften, die mit der An-140 operieren. Weltweit befinden sich lediglich rund dreißig Flugzeuge dieses Musters im Einsatz. Die 1984 gegründete Motor Sich Airlines hat ihre Basis in der Stadt Saporischschja im südöstlichen Teil der Ukraine. Die Flotte der Fluggesellschaft umfasst neben den zwei Antonow An-140 auch noch Flugzeuge der Muster An-24 und Yakovlew Yak-40. Daneben betreibt sie noch zwei Frachtmuster des Typs An-12 und An-74. Die Antonow An-148 ist ein zweimotoriger Regional-Jet und bietet je nach Konfiguration Platz für bis zu 80 Passagiere. Es befinden sich weniger als zwanzig Flugzeuge von diesem Muster bei Fluggesellschaften im Einsatz. Ukraine International Airlines hat von der insolventen Fluggesellschaft Aerosvit Airlines die An-148 übernommen.
Flug Kiew – Saporischschja mit Antonow An-74:
Nach der Ankunft am Flughafen Kiev-Zhuliany begann die große Anspannung, denn wir wollten mit der Antonow An-140 fliegen, die gemäß dem Flugplan auf dieser Strecke publiziert war. Da Motor Sich Airlines neben der An-140 jedoch noch andere Flugzeugtypen in der Flotte hat, mussten wir jederzeit damit rechnen, dass ein anderer Flugzeugtyp bereit stehen würde. Nach der Sicherheitskontrolle begaben wir uns zum Gate beim Abflugsterminal; eigentlich ist es eher ein Ausgang einer alten Baracke. In der Zwischenzeit hatte die Dämmerung eingesetzt. Unsere Blicke richteten sich auf das Vorfeld, wo wir Ausschau nach der An-140 hielten. Aber weit und breit war keine An-140 zu sehen.
Unsere Stimmung sank mit jeder Minute und wir machten uns gegenseitig Hoffnung, dass die An-140 vielleicht an einem Ort parkierte, der vom Terminal aus nicht zu sehen war. Kurz vor 20 Uhr bestiegen wir den Bus, der uns zum Flugzeug bringen sollte. Die Spannung stieg fast ins Unermessliche. Unsere Nasen hafteten während der ganzen Fahrt wie angewachsen am Busfenster, in der Hoffnung, dass einer von uns die An-140 entdecken würde. Plötzlich ein Richtungswechsel; der Bus fuhr auf eine weiße Antonov An-74 zu. Ich konnte den Namen der Fluggesellschaft auf dem Flugzeugrumpf von weitem nicht erkennen. Aber egal, denn die An-74 ist ja ein Frachtflugzeug; dieses Flugzeug konnte nicht für uns bestimmt sein.
Die An-74, ein Traumflugzeug für jedes Fliegerherz. Aber für uns unerreichbar, so dachte ich, weil dort üblicherweise eher Transportkisten anstatt Menschen Platz nehmen. Doch der Bus fuhr direkt auf die weiße An-74 zu. Und jetzt konnte ich den Schriftzug der Fluggesellschaft erkennen; Motor Sich Airlines. Unser Bus hielt direkt vor der Maschine an! Für eine Sekunde wusste ich nicht, ob ich nun träume oder ob ich tatsächlich vor einer alten An-74 stehen würde. Zugegeben, wir wollten mit der An-140 fliegen, aber die An-74 überstieg natürlich alle Erwartungen. Jetzt ging alles schnell; wir haben uns im Frachtflugzeug auf den einmontierten Sitzen angeschnallt und kurz darauf heulten die Triebwerke auf. Eine Safety-Demo gab es nicht, stattdessen rollten wir bereits zur Startbahn runter. Die Piloten brachten die Triebwerke auf Startleistung und es vergingen ungewohnt viele Sekunden mit tobendem Lärm. Dann endlich wurden die Bremsen gelöst und die Maschine beschleunigte schnell die Startbahn runter. Nach wenigen Sekunden hob die An-74 ab und stieg in den dunklen Himmel von Kiew.
In Osteuropa ist das Fotografieren oft heikel, dennoch wollten wir ein paar Fotos vom Interieur der An-74 schießen. Der Zufall wollte es, dass ein Freund neben einem ukrainischen Pilot saß, der sich als Passagier auf dem Heimflug befand. Er hatte großes Verständnis für unser Vorhaben. Wir durften uns frei im Flugzeug bewegen und jeden Winkel fotografieren. Es gab auch eine Kleinigkeit von der Bordküche. Aus Platzmangel hat sich der Flugbegleiter die Ablagefläche der Bordküche auf der eingeklappten Einstiegstreppe eingerichtet! Nach knapp einer Flugstunde wurde mit lautem Getöse das Fahrwerk ausgefahren. Kurz darauf setzte die An-74 sicher auf dem kleinen Flugplatz von Saporischschja auf.
Der ortsansässige Sitznachbar hat beim Verlassen des Flugzeuges noch mit dem Captain gesprochen und uns einen Blick in das Cockpit der An-74 ermöglicht. Auch das Bodenpersonal ließ uns noch etwas Zeit, damit wir die An-74 von außen fotografieren konnten. Danach brachte uns ein Taxi zum Hotel, wo uns Olga an der Rezeption bereits erwartete. Der Aufenthalt in Saporischschja sollte nur wenige Stunden dauern und deshalb haben wir uns zu später Stunde entschlossen, trotz der Müdigkeit die Stadt ein wenig zu erkunden. Unsere limitierten Russischkenntnisse verhalfen uns noch zu einem Abendessen und im Anschluss ließen wir den Tag in einer Bar ausklingen.
Flug Saporischschja – Kiew mit Antonow An-140
Uns blieben nur gerade vier Stunden Schlaf. Um sechs Uhr holte uns der Taxifahrer vom Vorabend wieder ab und hat uns zum Flugplatz gefahren. Einmal mehr stieg die Spannung, denn gemäß Flugplan sollte heute Morgen die Antonov An-140 von Motor Sich Airlines nach Kiev fliegen. Nach der Sicherheitskontrolle begaben wir uns in den ersten Stock des Gebäudes. Von dort aus konnten wir auf das Flugvorfeld sehen. Die Freude war groß, als ich hinter einem alten Gebäude das Leitwerk einer An-140 erkennen konnte. Es musste unser Flugzeug sein, denn an diesem Morgen war nur ein Abflug ab diesem Flugplatz geplant. Pünktlich starteten wir mit der An-140 in Richtung Kiew, wo wir nach 81 Minuten Flugzeit wieder landeten. Unser Ausflug nach Saporischschja endete somit mit zwei neuen Flugzeugtypen, wobei die geplante An-140 von der An-74 klar in den Schatten gestellt wurde. Dies war mein großartigster Flugzeugwechsel den ich bis heute erleben durfte und mir zu einem Flug mit der legendären An-74 verhalf.
Flug Kiew – Helsinki mit Antonow An-148
Wir mussten wieder den Flugplatz wechseln, denn die Weiterreise erfolgte vom Internationalen Flughafen Borispol aus. Es war schon lange mein Wunsch, einmal mit der An-148 zu fliegen. Nach der Sicherheitskontrolle begaben wir uns direkt zur Fensterfront in der Transithalle, um die An-148 auf dem Vorfeld zu suchen. Gleich drei Stück dieses Flugzeugmusters parkierten auf der Südseite unseres Terminals. Eine Maschine machte sich startbereit, eine zweite Maschine stand mit abgedeckten Triebwerken auf dem Vorfeld und die dritte Maschine war hinter einer Boeing 737 der insolventen Aerosvit parkiert; dies musste unsere Maschine sein.
Schon bald wurde der Flug aufgerufen und wir begaben uns mit dem Bus auf den Weg zur An-148. Da die Maschine auf einem offenen Standplatz parkiert war, drängten alle Passagiere gleichzeitig zur Flugzeugtüre und verdeckten somit die Sicht für ein paar gute Fotoaufnahmen. Dennoch gelang es mir, ein paar Fotos unter dem kritischen Blick des Sicherheitspersonals zu schießen. Der Start erfolgte in Richtung Süden mit einer anschließenden 180-Grad-Kurve und direktem Kurs nach Norden. Nach einer Flugzeit von knapp zwei Stunden landeten wir bei wunderschönem Wetter in Helsinki.
Markus Dürst ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er ist gelernter Betriebsökonom und arbeitet bei Swiss International Air Lines. In seiner Freizeit schreibt er gerne Reiseberichte über besondere Flugerfahrungen. Er besitzt eine Privatpilotenlizenz. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.