Letzte Aktualisierung: um 19:46 Uhr

Anflug auf Birmingham

Zwei Crews von Vueling machen dieselben Schnitzer

Im August 2019 machten Piloten eines Airbus A320 von Vueling beim Anflug auf Birmingham grobe Fehler. Monate später passierte einer anderen Besatzung derselben Airline am selben Airport Ähnliches.

Der erste Vorfall ereignete sich genau vor einem Jahr. Ein Airbus A320 des spanischen Billigfliegers Vueling befand sich am 26. August 2019 im Anflug auf den britischen Flughafen Birmingham. Flug VY8752 startete mit 189 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern in Barcelona.

Zwei Mal mussten die Piloten des A320 den Anflug auf Landebahn 33 abbrechen. Dass Verkehrsflugzeuge auch mehrere Male durchstarten müssen, ist zwar selten, aber nicht bedenklich. Bei schwierigen Wetterverhältnissen etwa gehen Piloten stets auf Nummer sicher. Im Falle des Vueling-Fluges verursachten jedoch grobe Pilotenfehler die Durchstartmanöver. Das zeigen die jetzt veröffentlichten Untersuchungen des Air Accident Investigation Branch AAIB.

Funkspruch überhört

Laut der britischen Flugunfalluntersuchungsbehörde flog der Airbus bei beiden Anflügen zu hoch. Die Anflüge erfolgten mit dem satellitengestützen Instrumentenlandesystem RNAV. Es herrschte Tageslicht, Sicht und Wetter waren gut.

Beim ersten Anflug überhörten die Piloten scheinbar die Aufforderung des Fluglotsen, von 4000 Fuß Flughöhe (1219 Meter) auf 2000 Fuß (610 Meter) zu sinken. Etwa 30 Sekunden später erfragte die Besatzung selber, ob sie sinken dürfe. Nachdem der Lotse dies bejahte, begannen sie etwa 20 Kilometer vor der Landebahn den Sinkflug. Dabei befanden sie sich bereits ungefähr 92 Meter über dem korrekten Gleitpfad.

Lotse bemerkte Fehler nicht

Notwendige Korrekturen in der Sink- und Fluggeschwindigkeit nahmen die Piloten nicht vorschriftsgemäß vor. Durchgehend war der Airbus zu hoch. Kurz vor der Landebahn brachen die Piloten ab und starteten durch.

Im zweiten Anflug verstanden die Piloten eine Sinkanweisung des Lotsen falsch. Statt erneut von 4000 auf 2000 Fuß zu sinken, brachten sie den A320 auf 3000 Fuß (914 Meter) Höhe. In der zur Rückkontrolle nachgesprochenen Funkanweisung der Piloten hörte der Lotse den Fehler nicht heraus.

Wichtiger Knopf

Erneut begannen die Piloten den Sinkflug zu spät. Auf einer Flughöhe von 580 Meter leiteten sie das zweite Durchstartmanöver ein. Dabei vergaßen sie jedoch, einen wichtigen Modus der automatischen Schubkontrolle zu aktivieren.

Werden die Schubhebel auf die sogenannte Toga-Position (Take Off/Go Around oder TO/GA) gestellt, stellt der Bordcomputer die Triebwerke auf maximale Startleistung. Beginnt ein Flugzeug einen Steigflug mit unausreichenden Schub, droht ein Abriss der Luftströmung über den Tragflächen. In geringen Flughöhen bleibt oftmals kaum Spielraum, um diesen Kontrollverlust wieder auszugleichen. Daher dieser Mechanismus.

Sicherheitssystem schritt ein

Die Vueling-Piloten stellten im Bordcomputer eine größere Flughöhe ein, ohne dabei mit aktiviertem Toga-Modus den Schub zu erhöhen. Die Nase des A320 stellte sich nach oben. Das Flugzeug verlor an Geschwindigkeit und sank weiter.

Um einen anbahnenden Strömungsabriss zu verhindern, aktivierte sich ein Sicherheitssystem des Airbus, der den Fehler erkannte. Die sogenannte Funktion Alpha Floor aktivierte selbstständig den Toga-Modus. Bis der A320 von Vueling zu steigen begann, war er auf eine Flughöhe von 1300 Fuß (396 Meter) abgesackt.

«Schwerer Zwischenfall» geschah nicht nur ein Mal

Im Flugverkehr werden Höhenangaben immer auf den Meeresspiegel bezogen. Über Grund betrug die Höhe des Airbus 940 Fuß (287 Meter). Ein weiterer Anflug gelang. Ohne weitere Vorkommnisse setzte der A320 beim dritten Versuch unversehrt auf.

Das AAIB stuft den Vorfall als «schweren Zwischenfall» ein. Für Aufsehen sorgt eine Ungewöhnlichkeit, die sich im Bericht der Behörde befindet. In dem Dokument behandeln die Ermittler einen ähnlichen Vorfall eines Airbus A320 im Anflug auf Birmingham, geschehen einige Monate später. Daran ist heikel: das Flugzeug war ebenfalls von Vueling.

Andere Besatzung, gleiches Modell, gleicher Betreiber

Beim zweiten Vorfall im Dezember 2019 war eine andere Besatzung und ein anderes Flugzeug involviert. Gleich waren Modell und Betreiber, welche für Trainings der Piloten zuständig ist und ihnen auch Anflugsverfahren vorgibt. Auch diese Besatzung verpasste das rechtzeitige Sinken im Endanflug.

An jenem Tag hing eine sehr tiefe Wolkendecke über dem Flughafen Birmingham. Der Anflug erfolgte wie beim Vorfall im August 2019 auf Landebahn 33. Zum Anflug genutzt wurde das Instrumentenverfahren VOR/DME. Mit Funkfeuern wird das Flugzeug dabei auf die Landebahn ausgerichtet. Sinkpfade gibt dieses System nicht vor.

Piloten waren überfordert

Nachdem die Piloten den A320 auf einer Höhe von 2000 Fuß (610 Meter) noch innerhalb der Wolkendecke auf die Piste ausrichteten, sollten sie den Sinkflug einleiten. Laut dem Bericht schlagen die von Vueling vorgegebenen Verfahren das Sinken auf diese Landebahn erst zu einem späteren Zeitpunkt vor. Die Piloten sollen damit überfordert gewesen sein.

«Die Piloten hatten versucht, den ihrer Meinung nach korrekten Sinkflugpunkt zu berechnen, wobei sie das Situationsbewusstsein verloren», schreibt das AAIB. Dies resultierte laut den Ermittlern darin, dass auch diese Crew über dem vorgegeben Gleitpfad befand. Zu einem ungenannten Zeitpunkt starteten sie das Flugzeug durch.

Zu hoch, zu tief und wieder zu hoch

Im zweiten Anflug befand sich der A320 erneut über den Gleitpfad. Warum sagen die Ermittler nicht. Mit größerer Sinkrate versuchten die Piloten, das richtige Sinkprofil einzufangen. Dabei gerieten sie viel zu tief. Etwa zwölf Kilometer vor der Landebahn waren sie 1300 Fuß (396 Meter) hoch – vorgesehen sind dort 2000 Fuß (610 Meter).

Die Crew ließe den zu tiefen Airbus daraufhin ein wenig steigen. Obwohl der Sinkpfad wenig später erneut um 360 Fuß (110 Meter) zu hoch war, führten sie den Landeanflug fort und landeten. Gegenüber der AAIB äußerte Vueling, dass die Crews beider Vorfälle über «angemessene Erfahrung» verfügen. Auch sollen sie nicht übermüdet gewesen sein.

Ermittler empfehlen bessere Trainings

In dem Bericht kommt die britische Behörde zu dem Schluss, dass beide Besatzungen womöglich damit überfordert waren, ihre zu spät eingeleiteten Sinkflüge zu korrigieren. «Die Darstellung des Sinkflugprofils auf den vom Betreiber zur Verfügung gestellten Karten hat möglicherweise zu dieser Unsicherheit beigetragen», heißt es in dem Bericht. Erhöhten Stress soll dafür gesorgt haben, dass die Besatzung des ersten Vorfalls vergessen habe, beim zweiten Durchstarten den automatischen Startschub zu aktivieren.

Beim Vorfall im Dezember war die Besatzung nicht damit vertraut gewesen, im zweiten Anflug die Sinkrate manuell einstellen zu könne, sagen die Ermittler. Schlussendlich empfiehlt das AAIB Vueling, Piloten im Simulator das Korrigieren von Sinkflügen beizubringen sowie dies zu überprüfen. Ebenso soll die Airline Verfahren schulen, mit denen Piloten effektiver ein verlorenes Situationsbewusstsein zurückerlangen.

Unter dem markierten Link können sie englischsprachigen Untersuchungsbericht der AAIB herunterladen.