Letzte Aktualisierung: um 21:42 Uhr

Vor 20 Jahren

Als ein Flugzeug von Swiss in Brandenburg verunglückte

In der Geschichte von Swiss International Air Lines ist bisher nur ein Flugzeug verunglückt - direkt im ersten Jahr. Gewitter trieben die Saab 2000 damals auf einen ehemaligen Militärflugplatz bei Berlin.

Das erste Problem waren Gewitter. Vor 20 Jahren, am 10. Juli 2002, flog ein Flugzeug der noch jungen Schweizer Airline Swiss von Basel Richtung Hamburg. Doch als sich die Saab 2000 mit dem Kennzeichen HB-IZY im Anflug auf die Hansestadt befand, geriet Flug LX850 in die Turbulenzen eines starken Gewitters – die Piloten drehten um 19:38 Uhr ab.

Sie entschieden sich gegen einen zweiten Anflug auf Hamburg. Nach Bremen wollte die Cockpitcrew nicht ausweichen, weil sie dafür die Gewitterfront hätte durchfliegen müssen. «Ohne sich einen umfassenden Überblick bezüglich der für sie zur Verfügung stehenden und noch nicht von der Front betroffenen, infrage kommenden Ausweichflughäfen zu verschaffen, entschied sich die Besatzung für den Ausweichflughafen Hannover», hielt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU acht Jahre später in ihrem Bericht fest.

Vor Berlin wurde der Treibstoff knapp

Doch das Wetter verhinderte auch einen Anflug auf Hannover. Und nicht nur das. «Auf dem Kurs zur Landung in Berlin-Tegel änderte sich die vorhergesagte gute Wetterlage für diesen Flughafen durch die Bildung extremer Gewitter so rasch, dass bei weiterer Annäherung des Flugzeuges an Berlin eine gefahrlose Landung in Tegel (wie auch auf den Flughäfen Tempelhof und Schönefeld) temporär unmöglich gewesen wäre», so die BFU.

Um 20:28 Uhr brach die Crew den Anflug auf Berlin-Tegel ab, wo sie zuvor aufgrund der geringen verbliebenen Treibstoffmenge eine bevorzugte Landung beantragt hatte. Auf die nordöstlich von Berlin gelegenen Flugplätze Finow und Neubrandenburg nahmen die Piloten Kurs, brachen aber aufgrund von Entfernung und Wetter wieder ab.

Erst Wehrmacht, dann Sowjetarmee

Um 20:33 Uhr erfuhr die Crew von der Flugsicherung, dass es in Werneuchen in Brandenburg noch kein Gewitter gab. Die Piloten entschieden sich, an dem Flugplatz zu landen, der 1937 von der Wehrmacht eröffnet und nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetarmee genutzt worden war.

In der Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung hatte der Flugplatz aber eine Besonderheit erhalten: einen etwa 70 Zentimeter hohen Erdwall, der über die gesamte Breite der Piste verlief – laut der Zeitung Hamburger Abendblatt eine Hindernis gegen illegale Autorennen. Zudem wurde die Piste für die rein zivile Nutzung verkürzt.

Flugzeug rast über einen Erdwall

Im Anflug auf Werneuchen nahm die Cockpitcrew von Flug LX850 laut BFU-Bericht nicht wahr, «dass die Landebahnschwelle 08 auf der noch vorhandenen 2400 Meter langen Piste um circa 900 Meter versetzt ist und hier erst den Beginn der zugelassenen Landebahn des heutigen Sonderlandeplatzes bildet». Nach dem Aufsetzen auf dem Betonstreifen vor dem Beginn der zugelassenen Landebahn raste die Saab 2000 gegen 20:42 Uhr über den Erdwall.


Bild: Google/BFU

Durch den Aufprall rissen alle drei Fahrwerksbeine ab. Das Flugzeug rutschte noch rund 350 Meter und kam dann auf der Piste zum Stehen. Die Piloten erhielten eine Feuerwarnung für das linke Triebwerk und aktivierten die Feuerlöscheinrichtungen beider Triebwerke.

Nur ein Verletzter beim einzigen Swiss-Unglück

15 Minuten nachdem die 20 Menschen an Bord den Flieger verlassen hatten, ging auch über Werneuchen ein heftiges Gewitter nieder. Von den vier Besatzungmitgliedern und 16 Fluggästen wurde nur ein Reisender verletzt. Die Saab 2000 erlitt einen Totalschaden und wurde später per Lkw und Schiff über Rotterdam zu einem Käufer nach England gebracht.

Doch wie konnte es zu dem Unglück kommen, das bis heute das einzige in der Geschichte von Swiss ist? Die BFU hielt fest, dass die Piloten vor dem Abflug nicht die aktuellsten Wettermeldungen erhielten, was sie als «unzureichende Unterstützung seitens der Einsatzleitung des Luftfahrtunternehmens» auslegte. Die Piloten kritisierte sie für eine «unzureichende Nutzung von Ressourcen bei Entscheidungsfindungen im Fluge».

Schlechte Karte und mangelnde Kommunikation

Kernpunkt ist jedoch die Frage, warum die Cockpitcrew nichts von der Gefahr durch den Erdwall wusste. Ein Fluglotse informierte die Piloten anhand einer Flugplatzkarte über die Piste. Die Darstellung der Karte war hinsichtlich des nicht nutzbaren Teils der Landebahn aber nicht eindeutig. Zudem gab es keinen Funkkontakt zwischen Crew und Flugplatz.

«Die Kommunikation zwischen dem Flugplatz Werneuchen und der Flugsicherung sowie zwischen Flugsicherung und Besatzung des Flugzeuges war im Hinblick auf die versetzte Landebahnschwelle missverständlich», heißt es außerdem im BFU-Bericht.

Verwirrende Markierungen auf der Piste

Aufgrund des aufziehenden Gewitters und des fast leeren Tanks setzen die Piloten direkt zur Landung an, ohne vorherigen Überflug. Die optische Herausforderung dabei beschreibt die BFU: «Die noch immer vorhandene Farbkennzeichnung des Beginns der alten Militärlandebahn erweckte einen Eindruck der Nutzbarkeit der gesamten Piste, während später aufgebrachte weiße Signalkreuze vor der neuen, versetzten Bahnschwelle zur optischen Bedeutungslosigkeit erodiert waren.» Dr Erdwall war im Anflug nicht zu sehen. Und als das Flugzeug einmal am Boden war, gab es keine Chance mehr zum Ausweichen.

Den ganzen BFU-Bericht können Sie hier als PDF öffnen.