Alkohol im Cockpit
Wenn Piloten zu viel trinken
Angetrunkene Piloten gebe es, weil Trinken in Westeuropa allgemein akzeptiert sei, sagt Fliegerarzt Hans-Werner Teichmüller. Die meisten Flugkapitäne seien sich ihrer Verantwortung aber bewusst.
Griff zum Glas: Die meisten Piloten sind sich ihrer Verantwortung bewusst.
Griff zum Glas: Die meisten Piloten sind sich ihrer Verantwortung bewusst.
Und wieder ist es passiert. Zwei Piloten von United Airlines wurden vergangenen Samstag (27. August) in Schottland verhaftet. Die 45-jährigen beziehungsweise 35-jährigen Männer wollten ihren Flug von Glasgow nach Newark antreten, obwohl der Alkoholgehalt in ihrem Blut zu hoch war. Eine Woche zuvor war ein Pilot von Sri Lankan Airlines volltrunken zum Dienst in Frankfurt angetreten und von den Behörden gestoppt worden. Mitte Juli hatte es zwei Piloten von Air Transat in Schottland getroffen. Grassiert im Cockpit die Trunksucht?
Nein, sagt Hans-Werner Teichmüller. «Bei Piloten dürfte ungefähr die gleiche prozentuale Häufigkeit von Alkoholgenuss vorliegen wie bei der Gesamtbevölkerung. Alkohol ist in Mitteleuropa nun mal gesellschaftlich akzeptiert», so der Präsident des Deutschen Fliegerarztverbandes, in dem die flugmedizinischen Sachverständigen zusammengeschlossen sind. Er glaubt aber, dass übermäßiger Konsum bei Piloten insgesamt seltener sei. «Wegen des erhöhten Risikos, den Job zu verlieren», begründet Teichmüller.
Wenige schwarze Schafe
Es gebe aber leider Ausnahmen. «Verkehrspiloten tragen eine wesentlich größere Verantwortung als Otto-Normalverbraucher. Entsprechend intensiver bewusst sollte es ihnen auch sein – und ist es auch bei der überwiegenden Mehrheit –, dass sie nach Alkoholgenuss mit einem Restpegel dieser Verantwortung nicht vollständig gerecht werden können», so der Mediziner. Offensichtlich müsse man bei einigen dieses Bewusstsein aber erst durch Kontrollen und Sanktionen schärfen.
Die Auslöser von übermäßigem Alkoholkonsum sind bei Piloten die gleichen wie bei der Gesamtbevölkerung, so Teichmüller. «Es geht um familiäre oder berufliche Probleme, Stress, Verdichtung der Arbeit, Überlastung, generelle oder spezielle Unzufriedenheit, negative Erlebnisse oder Erfahrungen», so der Fliegerarzt. Verschärfte Maßnahmen lehnt er ab. «Die derzeitigen Kontrollmechanismen, die mit der Änderung des deutschen Luftverkehrsgesetzes umgesetzt werden, reichen auf jeden Fall», findet Teichmüller.
Gesetz geht zu weit
Als sehr positives Moment wertet er schon existierende und teilweise noch zu schaffende Anlaufstellen, welche die Piloten bei Problemen mit dem Trinken aufsuchen können. Wichtig seien aber auch Beobachtungen von Kollegen, die etwaige Änderungen den Anlaufstellen mitteilen können.
Insgesamt findet er aber, dass das im April als Reaktion auf die Germanwings-Katastrophe beschlossene Luftverkehrsgesetz deutlich über das Ziel hinausgeschossen sei. «Mit der zwangsweisen, stichprobenartigen Alkohol- und Substanzkontrolle wird ein ganzer Berufsstand zu Unrecht der Abhängigkeit verdächtigt und gerät somit in Misskredit», so Teichmüller.