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«Airbus brauchte zwanzig Jahre»

Wie stark sind die neuen Flugzeugbauer aus Russland und China wirklich? Ein Experte beurteilt die Chancen von Sukhoi, Irkut und Comac.

Mit aller Kraft drängen die jungen Wilden auf den Weltmarkt. Die russische Sukhoi will mit ihrem Superjet 100, die ebenfalls russische Irkut mit der MS-21 und die chinesische Comac mit ihrem C919 und dem ARJ21 den beiden Platzhirschen Airbus und Boeing, aber auch den kleineren Bombardier und Embraer bedrängen – nicht nur mit attraktiven Preisen. Der russische Anbieter hat bereits 144 Bestellungen für sein neues Flugzeug, der chinesische 105, Tendenz steigend. Chris Seymour ist Chef der Marktanalyse beim Luftfahrt-Beratungsunternehmen Ascend Worldwide. Für aeroTELEGRAPH beurteilt er die Chancen und Defizite der neuen Flugzeugbauer.

Die russischen und chinesischen Flugzeugbauer machen schnell Fortschritte. Wer liegt in diesem Rennen weiter vorne – Sukhoi oder Comac?
Chris Seymour: Sukhois Superjet 100 ist in Russland bereits im Einsatz. Das Unternehmen hat auch schon einige Orders aus dem Ausland erhalten. Der chinesische Regionaljet Comac ARJ21 wurde auf 2012 verschoben und der neue C919 und auch der MS-21 der russischen Irkut werden kaum vor 2016/17 in Verkehr gesetzt – diese Programme sind noch in frühen Stadien.

Wann werden die neuen Anbieter wirklich soweit sein, dass sie ernsthafte Konkurrenten von Boeing, Airbus, Bombardier und Embraer sind?
Seymour: Es braucht für jeden Hersteller Zeit, zum globalen Marktakteur zu werden. Sie müssen ein erprobtes, zuverlässiges Produkt abliefern, das auch den Kundenwünschen entspricht und für das es internationalen Service gibt. Die ersten Umsätze erzielen alle Flugzeugbauer normalerweise zuerst im Heimmarkt. China ist natürlich ein sehr großer Heimmarkt – das ist ein Vorteil für Comac. Airbus und Embraer brauchten rund zwanzig Jahre bis zum Durchbruch. Wir glauben, dass es bei Comac weniger lang dauern wird.

Sind die Flugzeuge aus China oder Russland einfach Kopien westlicher Modelle oder steckt in ihnen auch Innovation?
Seymour: Der Comac C919 und der Irkut MS-21 wurden auf dem Reißbrett neu erfunden. Wie alle heutigen Flugzeugbauprojekte sind auch sie Gemeinschaftswerke, bei denen westliche Partner mitarbeiten. Sie sind neue Typen, die auf bestehenden aufbauen. Sie sind nicht revolutionär.

Ist eigentlich der Preis das Hauptverkaufsargument?
Seymour: Der Preis ist sicherlich ein wichtiger Faktor. Doch die Fluggesellschaften brauchen ein zuverlässiges Flugzeug mit zuverlässigen Serviceleistungen. Zudem muss man sehen: Airbus und Boeing haben alleine wegen ihrer Größe auch eine sehr starke Preismacht

Werden westliche Passagiere je Flugzeuge aus Russland oder China akzeptieren?
Seymour: Um ehrlich zu sein haben die meisten Passagiere keine Ahnung in was für einen Flieger sie sich setzen. Ihnen ist wichtiger, dass sie pünktlich ankommen, dass es bequem ist, dass sie ihr Gepäck am Zielort erhalten. Das sind deshalb auch Gründe, weshalb Airlines bestimmte Flugzeugbauer auswählen.

Ryanair kündigte an mit Irkut und Comac über den Kauf neuer Flieger zu verhandeln. Ist das ernst gemeint oder nur ein Mittel, um Airbus und Boeing im Preis zu drücken?
Seymour: Fluggesellschaften sollten alle Alternativen prüfen. Ryanair ist diesbezüglich vielleicht die aggressivste Vertreterin. Eine hohe Auslastung und eine hohe Zuverlässigkeit ist für einen Billigflieger aber genauso wichtig wie ein guter Kaufpreis.