Vorfall in Bordeaux
Airbus A320 fliegt auf Piste 54 Meter über Privatflugzeug hinweg
Ein Airbus A320 landete in Bordeaux fast auf einer Piste, auf der ein Privatflugzeug stand. Die Ermittler orten den Fehler bei der Flugsicherung und deckten eine illegale Praxis auf.
Aufnahme einer Sicherheitskamera: Der A320 wollte auf der Piste landen, auf der die Robin DR 400 stand:
Aufnahme einer Sicherheitskamera: Der A320 wollte auf der Piste landen, auf der die Robin DR 400 stand:
Das Unheil nahm seinen Lauf bereits am Vorabend. Da beschloss die Schichtleiterin in Absprache mit ihrem Team, weniger Personal einzusetzen, als im Dienstplan vorgesehen war. Und so waren am 31. Dezember 2022 im Kontrollturm des Aéroport de Bordeaux-Mérignac nur drei Lotsinnen und Lotsen anwesend – halb so viele, wie eigentlich vorgesehen sind.
Der Vorgang war nicht unüblich, wie der Schlussbericht des Bureau d’enquêtes et d’analyses BEA aufgedeckt hat, der jetzt veröffentlicht wurde. Aber an jenem Tag hatte er schwerwiegende Folgen. Der Lotse hatte nach dem Start eines Airbus A321 von Air France einem Privatflugzeug mit einem Piloten und einem Passagier an Bord die Anweisung gegeben, an der Schwelle von Piste 23 zu warten – wegen der Wirbelschleppen des startenden Jets.
Privatpilot konnte Airbus A320 hinter sich nicht erkennen
Der Pilot der Robin DR 400 wartete daraufhin zwei Minuten. Danach fuhr er in Absprache mit der Flugsicherung auf die Startbahn. Der Lotse hatte jetzt plötzlich sehr viel zu tun. Diverse Flieger im VFR-Modus, die also auf Sicht unterwegs waren, meldeten sich per Funk. Dadurch wurde er abgelenkt.
Und er erteilte darum einem Airbus A320 von Easyjet die Erlaubnis, auf Piste 23 von Bordeaux zu landen. Der Pilot der DR 400 sei sich bewusst gewesen, dass er seit mehr als drei Minuten auf der Landebahn gestanden habe und er habe verstanden, dass die Besatzung des A320 die Landeerlaubnis für die Piste 23 gehabt habe, heißt es im Bericht des BEA. Aber er habe die Position des A320 hinter ihm nicht erkennen können.
A320 fliegt über Robin DR 400 hinweg
Er habe zudem gemerkt, dass der Lotse am Funk beschäftigt gewesen sei. Und so habe er erst mal gewartet. Dann aber meldet sich der Pilot des Privatfliegers doch noch beim Lotsen und informierte ihn, dass er auf Piste 23 stehe und es einen Konflikt gebe. Um 10:56 Uhr erkannte der Lotse die Gefahr und erteilte dem A320 mit dem Kennzeichen OE-INE den Befehl zum Abbruch des Landeanflugs und Durchstarten.
Unmittelbar nach dem Ende des Funkspruchs brach die Easyjet-Besatzung den Landeanflug ab. Ihr Flugzeug befand sich da 525 Meter vor der Pistenschwelle und auf nur noch 40 Meter. Aufgrund der Trägheit sank der Jet aber noch auf bis 31 Meter, bevor er wieder schnell an Höhe gewann. Am Ende überflog der A320 die Robin DR 400 in einer Höhe von 54 Meter. Der Privatpilot habe den Jet über sich hinwegfliegen sehen und das Einfahren des Fahrwerks beobachten können, heißt es im Bericht der französischen Ermittler.
Privatpilot konnte Airbus A320 hinter sich nicht erkennen
Sie halten die unzureichende Besetzung des Kontrollturms als ursächlich für den Zwischenfall. Und sie halten fest, dass der Dienstplan der Lotsinnen und Lotsen im Kontrollturm für jede Schicht auf der Grundlage des Verlaufs der vergangenen Jahre die Mindestanzahl an Fluglotsen festlege. Es könnten aber Positionen zusammengelegt werden, um «eine gewisse Flexibilität bei der Anpassung der menschlichen Mittel an den tatsächlichen Verkehr» zu ermöglichen. Das taktische Instrument sei aber hier strategisch eingesetzt worden, um die Arbeitszeit zu verringern.
«Ein seit vielen Jahren in der DSNA [Direction des Services de la navigation aérienne, die französische Flugsicherung, Anmerkung der Redaktion] verankerter sozialer Konsens lässt eine Situation fortbestehen, in der die Fluglotsenteams außerhalb jedes gesetzlichen Rahmens ein Niveau an anwesenden Mitarbeitenden organisieren, das in der Regel unter der theoretisch als notwendig ermittelten Anzahl liegt. Diese Situation, die außerhalb des gesetzlichen Rahmens liegt, aber bekannt ist und implizit toleriert wird, ist geeignet, jede offizielle Sammlung von Informationen zu verbieten, die zur Identifizierung dieser Abweichungen führen würde», so das BEA.
Den Bericht des BEA (in Französisch) können Sie hier herunterladen.