Martin Stulajter, Air Explore
«Hätten das Handtuch in den Ring werfen können»
Der slowakische Wet-Lease Anbieter Air Explore kämpft mit den Folgen der Pandemie. Im Interview spricht Chef Martin Stulajter über heikle Phasen, ungenügende Preise und Durchhaltewillen.
Martin Stulajter: «Kein Mensch hat die Fachkompetenz für jeden Aspekt des Geschäftes».
Martin Stulajter: «Kein Mensch hat die Fachkompetenz für jeden Aspekt des Geschäftes».
Wie sieht ihr Resümee nach einem Jahr Corona-Krise aus, wie geht es Air Explore?
Martin Stulajter: Letztes Jahr im Frühsommer wurde klar, dass diese Krise nicht einfach innerhalb von ein paar Wochen oder Monaten abklingen wird. Es wurde klar, dass dies die schlimmste globale Katastrophe in der Geschichte der Luftfahrt ist. Uns wurde auch klar, dass der vor uns liegende Kampf viele Monate, vielleicht sogar Jahre dauern wird und die endgültige Rechnung erst dann bekannt sein wird, wenn er vorbei ist. Niemand weiß mit Sicherheit, wann dies der Fall sein wird, obwohl ich mir sicher bin, dass das Jahr 2022 ein besseres Jahr für uns sein wird. Letzten Sommer befanden wir uns als Eigentümer von Air Explore an einem Scheideweg.
Das bedeutet?
Mit dieser schrecklichen Zeit vor uns, hätten wir das Handtuch in den Ring werfen und den kürzeren Weg wählen können. Die andere Alternative war «all in», also auf Angriff zu setzen und das Unternehmen mit Kapital zu unterstützen, um in der Krise etwas Luft zum Atmen zu haben. Es erforderte viel Mut und ein großes persönliches Opfer für alle Gesellschafter, aber wir haben uns entschieden zu kämpfen und nicht aufzugeben. Hauptmotivation waren unsere Mitarbeiter, die uns durch ihre persönlichen Opfer und ihre Einstellung zu ihren Aufgaben gezeigt haben, dass es sich lohnt für dieses Unternehmen zu kämpfen.
Sie haben es trotz Pandemie geschafft, einige ihre Flugzeuge an andere Fluglinien zu vermieten. Wer sind aktuell Ihre Kunden?
Im Moment betreiben wir sieben Flugzeuge. Wir stehen kurz vor der Rückgabe eines der Flugzeuge an den Leasinggeber, so dass wir uns in diesem Jahr nur noch um sechs Maschinen kümmern müssen. Bislang konnten wir für drei einen Einsatz bei Badr Airlines of Sudan und Iraqi Airways finden. Wir arbeiten daran, weitere drei Fliegern anserwswo zu platzieren, aber bevor diese Verträge endgültig ausverhandelt sind, müssen die Details vertraulich behandelt werden. Um diese Verträge erfüllen zu können, müssen wir von Air Explore einen Preis anbieten, der weit unter dem liegt, was der Markt vor einem Jahr hergegeben hätte. Wir müssen unsere Kosten so anpassen, dass es für uns finanziell Sinn mach, zu arbeiten. Es wäre utopisch, jetzt Gewinne zu erwarten, aber zumindest müssen wir dafür sorgen, dass die Verluste möglichst gering gehalten werden, damit wir überleben können, bis der Markt wieder anzieht.
Nur einen Tag vor unserem Abflug schlossen die Regierungen die Grenzen für Ausländer.
Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie angekündigt, für Fly All Ways aus Surinam fliegen zu wollen, warum kam es nie dazu?
Das war eine sehr charakteristische Situation im Airline-Geschäftsleben dieser Tage. Nur einen Tag vor unserem geplanten Abflug nach Surinam schlossen die Regierungen in dieser Region die Grenzen für Ausländer. Das Flugzeug war für den Überstellungsflug vollständig vorbereitet, mit Basisausrüstung und Ersatzteilen beladen und das Logo von Fly Allways angebracht. Die Nachfrage war aber von einem auf den anderen Moment verschwunden, also war das Geschäft vom Tisch…
Wie darf man sich ihr Business seit der Corona Pandemie vorstellen, gibt es irgendwelche Garantien oder Sicherheiten bei Abschluss eines Vertrages?
Natürlich versuchen wir uns in Vertragsverhältnissen abzusichern, aber gleichzeitig sind unsere Kunden in der heutigen dramatischen Geschäftswelt oft aus Gründen die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, nicht in der Lage, ihre Leistung zu erbringen, weshalb ihnen ein Ausweg geboten werden muss. Wir sind immer auf der Suche nach einem guten Gleichgewicht, damit unsere Kunden nicht davon abhalten werden mit uns Geschäfte zu machen, aber gleichzeitig wir nicht in eine Situation kommen, in der wir ausgenutzt werden. Jeder muss bis zu einem gewissen Grad die Risiken mittragen.
Wie wird sich der Markt ihrer Meinung nach weiter entwickeln?
Als die Covid-Pandemie über uns hereinbrach, war ich nicht mit den Kommentaren einiger Luftfahrtexperten einverstanden, die vorausgesagt hatten, dass langfristig die Ticketpreise steigen werden. Meine Vermutung war das Gegenteil. Jetzt ist es klar, dass ein Teil der Nachfrage komplett verschwunden ist, aber dennoch sehen wir keinen adäquaten Rückgang des Angebots, hauptsächlich aufgrund der massiven Bemühungen der Regierungen den großen Mitspielern zu helfen. Auf der anderen Seite entstehen neue Märkte, da die Mittelschicht in Asien, Afrika, Südamerika und im Nahen Osten wächst. Und genau hier sehe ich unseren Platz. Wir haben uns immer auf herausfordernde Projekte spezialisiert.
Wir stellen mehr Kabinenpersonal ein.
Sie suchen trotz Krise Personal, warum?
Man muss sagen, dass wir gleich zu Beginn der Covid-Krise in vielen Abteilungen, vor allem aber bei den Flugbesatzungen, einen großen Einschnitt vorgenommen haben. Wir haben ein Jahr überstanden, in dem wir nur einen kleinen Bruchteil der Flüge durchgeführt haben, für die das Unternehmen ausgelegt war. Ohne diese Einschnitte wären wir nicht mehr hier. Jetzt, nach dem anfänglichen Beben, kommen wir langsam wieder auf die Beine. Der Betrieb wächst langsam, so dass wir logischerweise einen Teil der Piloten zurückrufen. Wir stellen mehr Kabinenpersonal ein, da das Geschäft das wir jetzt in den Ländern außerhalb der EU betreiben. dies erfordert.
Der Sommer steht vor der Tür, wird es wieder Linienflüge mit Air Explore ab Bratislava geben?
Europa ist in diesen Tagen stark von der Covid-19 Pandemie betroffen. Niemand weiß, wie die Situation in ein oder zwei Monaten aussehen wird. Ich weiß nicht, wie die Reisebeschränkungen während des Sommers aussehen werden. In dieser Situation kann ich nicht versprechen, Flüge anzubieten, für die sich vielleicht niemand interessiert oder die unmöglich zu betreiben wären. Andererseits möchten wir auf dem Markt der Linienflüge aktiv bleiben, also werden wir weiter nach Möglichkeiten suchen.
Sie waren mit 27 Jahren einer der jüngsten Airlinegründer weltweit, haben Sie den Schritt je bereut?
Das Betreiben einer Fluggesellschaft ist ein komplexes Unterfangen und kein Mensch hat die Fachkompetenz für jeden Aspekt des Geschäftes. Die Gründung von Air Explore war nicht die Aktion einer einzelnen Person. Ich würde die Gründer als eine Gruppe von engagierten Personen bezeichnen, die alle etwas Wesentliches für das Unternehmen eingebracht haben. Dazu gehören nicht nur die Anteilseigner, sondern auch die Mitarbeiter. Ich bin stolz darauf, dass all diese Gründer mich von Anfang an bis heute als ihren Chef haben wollten. Vor einem Jahr hatte ich vor, es etwas langsamer angehen zu lassen, mich mehr auf mein Familienleben zu konzentrieren, das ich viele Jahre lang auf einen zweiten oder dritten Platz gestellt habe. Ich ahnte nicht, dass die bisher größte geschäftliche Herausforderung vor mir liegt und alle meine Pläne im Handumdrehen über den Haufen geworfen würden. Ehrlich gesagt, ist es manchmal sehr frustrierend, aber auf eine komische Art und Weise gibt mir dieser ständige Aufruhr auch die Kraft weiterzumachen.