Abschüsse von zivilen Passagierflugzeugen
Wenn Armeewaffen Passagierjets treffen
Tragödien wie die des Abschusses der Boeing 737 von Ukraine International gab es in der Luftfahrt immer wieder. Ein Rückblick auf einige aufsehenerregende Zwischenfälle.
Trümmer von Flug PS752: Die Boeing 737 von Ukraine International wurde im Iran abgeschossen.
Trümmer von Flug PS752: Die Boeing 737 von Ukraine International wurde im Iran abgeschossen.
Inzwischen gibt es traurige Gewissheit: Eine Verkettung unglücklicher Umstände, Fehleinschätzungen und Pannen führte zum Tod von 176 unschuldigen Menschen. Die iranische Armee schickte am Mittwochmorgen versehentlich eine Rakete los, weil sie die startende Boeing 737 von Ukraine International Airlines für einen Marschflugkörper hielt. Die Piloten hatten keine Chance mehr. Sie drehten zwar noch, der Flieger stürzte aber rund 15 Kilometer vom Imam Khomeini International Airport von Teheran entfernt ab.
Der Abschuss von Flug PS752 ist kein Einzelfall. Immer wieder ist es in der Geschichte vorgekommen, dass zivile Flugzeuge von militärischen Geschossen getroffen wurden – versehentlich oder auch absichtlich. Ein Blick auf einige historische Zwischenfälle:
24. August 1938, China National Aviation Corporation: Die Douglas DC-2 mit dem Taufnamen Kweilin war auf dem Weg von Hongkong nach Wuzhou. Nach dem Start wurde die Maschine von feindlichen japanischen Flugzeugen angegriffen und getroffen. Dem Pilot gelang eine Notwasserung, doch die Flieger griffen weiter an. Das Flugzeug sank und 14 der 18 Insassen starben. Die Japaner glaubten fälschlicherweise, dass sich der einzige Sohn des chinesischen Präsidenten Sun Yat-sen an Bord befindet. Die beiden Staaten befanden sich damals im Krieg. Der Zwischenfall gilt als erster Abschuss eines zivilen Flugzeug durch eine Armee. Er wurde als Kweilin-Zwischenfall bekannt.
1. Juni 1943, Boac, Flug BA777: Die Douglas DC-3 der britischen Boac mit dem Kennzeichen PK-AFV startete in Lissabon und sollte nach Bristol fliegen. Sie wurde auf ihrem Weg von deutschen Junkers Ju-88 angegriffen und stürzte in den Golf von Biskaya. 17 Menschen starben dabei.
23. Juli 1954, Cathay Pacific: Die Douglas C-54/DC-4 mit dem Kennzeichen VR-HEU startete in Bangkok und hatte Hongkong zum Ziel. In der Nähe der Insel Hainan wurde sie von Fliegern der Luftstreitkräfte der Volksrepublik China angegriffen und stürzte ab. Von den 19 Insassen starben zehn. China gab an, das Flugzeug fälschlicherweise für eines der abtrünnigen Insel Taiwan gehalten zu haben.
27. Juli 1955, El Al, Flug LY902: Die Lockheed Constellation von El Al mit dem Kennzeichen 4X-AKC war auf dem Weg von London nach Tel Aviv. Nach einer Zwischenlandung in Wien war sie im bulgarischen Luftraum unterwegs. Dort wurde sie von zwei Mig 15 der Luftwaffe Bulgariens abgefangen. Nach einer Warnung schienen die Piloten zuerst zu reagieren und den Anweisungen der Bulgaren zu gehorchen, dann aber versuchten sie doch wieder, sich über die nahe griechische Grenze zu retten. Sie wurden darum abgeschossen. Alle 51 Insassen starben bei dem dem Kalten Krieg geschuldeten Absturz.
30. Juni 1962, Aeroflot, Flug SU: Die Tupolev Tu-104 von Aeroflot mit dem Kennzeichen CCCP-42370 war auf dem Weg von Khabarovsk nach Moskau. Nach einem Stopp in Irkutsk war sie in der Nähe von Krasnoyarsk unterwegs, als sich ein nervöser Mann aus dem Cockpit bei den Lotsen meldete. Doch es gelang nicht mehr, ein Gespräch mit ihm aufzunehmen. Später wurde das Wrack in unbewohntem Gelände gefunden, alle 84 Menschen an Bord waren tot. Die Maschine war versehentlich von einer Rakete getroffen worden, welche die Sowjetarmee bei Gefechtsübungen abgeschossen hatte.
20. April 1978, Korean Air, Flug KE902: Die Boeing 707 von Korean Air mit dem Kennzeichen HL7429 war unterwegs von Paris nach Seoul. Sie drang auf ihrem Weg über Murmansk in gesperrten sowjetischen Luftraum ein und wurde abgeschossen. Der Pilot konnte aber auf einem gefrorenen See landen. Nur zwei Menschen starben.
27. Juni 1980, Itavia, Flug IH870: Die Douglas DC-9 der italienischen Airline stürzte am 27. Juni 1980 ins Mittelmeer. Man geht von einem Abschuss durch eine fehlgeleitete französische Rakete aus. 81 Menschen starben.
1. September 1983, Korean Air, Flug KE007: Die Boeing 747 von Korean Air mit dem Kennzeichen HL7442 war unterwegs von New York nach Seoul. Sie drang auf ihrem Weg in gesperrten sowjetischen Luftraum ein und wurde abgeschossen. Moskau dementierte dies zuerst, gab später aber den Abschuss zu. bei einer Pressekonferenz erklärte die Armee, der Jet sei von den USA zur Spionage verwendet worden. 269 Menschen starben.
3. Juli 1988, Iran Air, Flug IR655: Der Airbus A300 der staatlichen iranischen Fluglinie mit dem Kennzeichen EP-IBU war auf dem Weg von Teheran nach Dubai. Nach einem Zwischenstopp in Bandar Abbas flog er über den Persischen Golf. Die Piloten funkten korrekt auf Englisch und auf zivilen Frequenzen. Der Kreuzer USS Vincennes erkannte den Flieger von Iran Air jedoch als militärisches Objekt und warnte es wiederholt auf militärischen Frequenzen. Als keine Antwort kam, schickte der Kapitän Raketen los. Der Airbus A300 wurde getroffen und stürzte ab. 290 Menschen starben. Die USA vertuschten den Zwischenfall zuerst, sprachen dann von einem Versehen. Der Iran witterte einen gezielten Abschuss.
29. September 1998, Lionair, Flug LN602: Die Antonov An-24 der sri-lankischen Fluglinie mit dem Kennzeichen EW-46465 war auf dem Weg von Jaffna nach Colombo. Kurz nach dem Start stürzte sie ab. Heute ist klar, dass der Flieger von der tamilischen Rebellenorganisation LTTE abgeschossen wurde. Sie hatte die Fluglinie zuvor gewarnt, sie solle die Flüge einstellen. Denn sie vermutete, dass von Lionair auch Soldaten befördert werden. Die Insel erlebte damals einen blutigen Bürgerkrieg. Es gab 55 Tote.
4. Oktober 2001, Siberia Airlines, Flug S7-1812: Die Ukraine hat bereits Erfahrung mit solchen Tragödien. Eine Tupolev Tu-154 von Siberia Airlines war auf dem Weg von Tel Aviv nach Novosibirsk. Über dem Schwarzen Meer wurde die Maschine mit dem Kennzeichen RA-85693 von einer Boden-Luft-Rakete getroffen. 78 Menschen starben. Der Abschuss war ein Versehen. Die ukrainische Marine hielt damals. Luftverteidigungsmanöver ab, und schoss dabei mit verschiedenen Raketen auf Zieldrohnen.
7. Juli 2014, Malaysia Airlines, Flug MH17: Auch bei diesem Unglück spielte die Ukraine unfreiwillig eine Rolle. Eine Boeing 777-200 ER von Malaysia Airlines mit dem Kennzeichen 9M-MRD auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur wurde über der Ostukraine von einer Flugabwehrrakete des Typs Buk M1 abgeschossen. 295 Menschen starben. Die internationale Untersuchung ergab, dass russische Separatisten für das Unglück verantwortlich waren.