Neue EU-Regel zu Tankering
Airlines dürfen vor dem Hinflug nicht mehr für den Rückflug tanken
Die EU geht dagegen vor, dass Fluggesellschaften aus Kostengründen vermeiden, am Ziel zu tanken. Schon Ende März müssen Airlines erstmals Bericht erstatten. Die deutsche Luftfahrtbranche warnt vor einem Bürokratiemonster.
Tankwagen neben einem Flugzeug von Easyjet: Treibstoffdaten müssen übermittelt werden.
Tankwagen neben einem Flugzeug von Easyjet: Treibstoffdaten müssen übermittelt werden.
Eigentlich geht es um SAF. Sustainable Aviation Fuel, nachhaltiger Flugkraftstoff, ist der Kern der EU-Verordnung 2023/2405 «zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für einen nachhaltigen Luftverkehr», auch «Re Fuel EU Aviation» genannt.
Nach dieser Verordnung sind Fluggesellschaften ab dem 1. Januar 2025 verpflichtet, einen Mindestanteil von 2 Prozent SAF zu nutzen. Bis 2050 steigt die Quote auf 70 Prozent. Aber die EU-Verordnung 2023/2405 bringt auch noch andere Pflichten mit, die nun gelten.
Ganz ähnlich wie mit dem Auto
Ein wichtiger Punkt ist das sogenannte Tankering. Es bezeichnet die Praxis, auf dem Hinflug so viel Triebstoff mitzunehmen, dass die Tankfüllung auch für den Rückflug ausreicht. Das kann aus Sicherheitsgründen geschehen, aber auch aus Kostengründen.
Dann passiert in der Luftfahrt das, was auch Autofahrer und Autofahrerinnen in Grenzregionen kennen: Wer von Deutschland in die Niederlande und zurück fährt, tankt den Wagen in Deutschland so voll, dass es für den Hin- und Rückweg reicht. So vermeidet man, im Nachbarland zu tanken, wo der Kraftstoff teurer ist als in der Heimat.
EU geht gegen Tankering vor
Eine Fluggesellschaft, die an ihrer Heimatbasis deutlich günstiger tankt als am Ziel, macht den Tank also womöglich auch voller. Das gefällt der EU nicht. «Das sogenannte ‘Tankering’ von Flugkraftstoff erhöht den Kraftstoffverbrauch von Luftfahrzeugen und führt zu unnötigen Treibhausgasemissionen», heißt es in der Begründung der Verordnung. Denn mit mehr Treibstoff ist mehr Gewicht an Bord und so steigt auch der Verbrauch. Das unterminiere die Umweltschutzbemühungen der Union, heißt es in der Verordnung.
Zudem fürchtet die EU, «die Einführung und der zunehmende Einsatz von SAF sowie die damit steigenden Flugkraftstoffkosten auf Flughäfen der Union könnten zu einer Zunahme von Praktiken wie des ‘Tankering’ führen». Daher geht sie nun dagegen vor.
Erste Berichte schon Ende März
Die Verordnung verpflichtet Fluggesellschaften, für Flüge ab einem bestimmten EU-Flughafen 90 Prozent des Kraftstoffs auch an diesem Flughafen zu tanken – gerechnet auf den jährlichen Verbrauch an diesem Flughafen. Für Tankering aus Sicherheitsgründen und in einigen anderen Sonderfällen gibt es Ausnahmereglungen. Die Pflicht gilt an allen Flughäfen in der EU, die jährlich mehr als 800.000 Fluggäste oder über 100.000 Tonnen Fracht zählen und sich nicht in einem Gebiet in äußerster Randlage befinden.
Um das Ganze zu kontrollieren, müssen Fluglinien Bericht erstatten. Und das schon bald. «Bis zum 31. März jedes Berichtsjahres und erstmals im Jahr 2025» müssen Airlines den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit detaillierte Informationen liefern zu vertankten, nicht vertankten und benötigten Treibstoffmengen an jedem genutzten EU-Flughafen, der die Kriterien erfüllt.
So hoch werden die Bußgelder
Fluggesellschaften, die sich nicht daran halten, müssen Bußgelder zahlen, die die Mitgliedstaaten festlegen. Diese Bußgelder sollen «verhältnismäßig und abschreckend» sein und mindestens doppelt so hoch wie die Kosten der Treibstoffmenge, die fehlte, um die vorgeschriebenen 90 Prozent zu erreichen, kalkuliert zum Jahresdurchschnittspreis.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL sieht die Berichtspflichten zur Vermeidung von Tankering kritisch, wie er auf Anfrage von aeroTELEGRAPH erklärt. «Prinzipiell ist es zwar ein Schritt in die richtige Richtung, dass sich die EU-Kommission den Wettbewerbsverzerrungen durch die Beimischungsquote für nachhaltige Kraftstoffe (SAF) widmet», sagt ein BDL-Sprecher. Denn durch Tankering könne die SAF-Quote durch Fluggesellschaften aus Drittstaaten unterlaufen werden.
BDL warnt vor «Bürokratiemonster»
«Die Berichtspflichten bedeuten für die Fluggesellschaften jedoch vor allem einen enormen zusätzlichen bürokratischen Aufwand», so der Sprecher. Zudem gebe es rechtliche Risiken, da es Tankering auch aus anderen Gründen gebe, wie bei etwa ungünstigen Wetterlagen, bei denen die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung im Voraus nicht möglich sei.
«Die Anti-Tankering-Regeln und die damit verbundenen Berichtspflichten schaffen ein neues Bürokratiemonster – ohne das Problem der Wettbewerbsverzerrungen im Kern anzugehen», sagt der Sprecher. Als eine Alternative schlägt der BDL «eine endzielbezogene SAF-Abgabe» vor. Denn: «Insbesondere bei Flügen von Europa nach Asien oder Afrika ist bei einem Umstieg an einem Drehkreuz etwa in Istanbul, Doha oder Dubai der teure nachhaltige Kraftstoff nur für den ersten Teil der Reise zu tanken – während europäische Airlines bei einem Direktflug den SAF-Anteil für die gesamte Strecke tanken müssen.»
Wer Details zu Re Fuel EU Aviation und zu den Regeln gegen Tankering selber nachlesen möchte, kann dies hier in der EU-Verordnung 2023/2405 in deutscher Fassung tun.