Letzte Aktualisierung: um 10:40 Uhr

Vorwurf des NTSB

Nahm die FAA das neueste Problem mit der Boeing 737 nicht ernst genug?

Eine Behörde pöbelt in den USA die andere an: Die Chefin des Verkehrssicherheitsbehörde NTSB wirft den Kollegen der Luftfahrtbehörde FAA vor, Probleme bei der Boeing 737 nicht ernst genommen zu haben.

Es war eine dringende Empfehlung des National Transportation Safety Board NTSB an die Federal Aviation Administration. Nach einem Zwischenfall auf einem Flug einer Boeing 737 Max von United Airlines hatte sie festgestellt, dass es in 353 Fällen Probleme mit Aktuatoren gab, die die Eingaben der Pedale im Cockpit in die Ruderbewegungen des Seitenruders umwandelt.

Die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde forderte die Luftfahrtbehörde dringend auf, zu prüfen, ob betroffene Aktuatoren aus den Flugzeugen entfernt werden sollten und die Flugzeuge am Boden bleiben müssen, bis Ersatzgeräte installiert sind. Die FAA sollte auch die internationalen Luftfahrtbehörden benachrichtigen, wenn sie entscheidet, dass die Komponenten entfernt werden sollten.

FAA wusste schon länger vom Problem

Jetzt stellt sich heraus: Die FAA wusste bereits seit Februar von dem Problem, hat aber nicht gehandelt. Das wirft NTSB-Chefin Jennifer Homendy ihrem Kollegen bei der Luftfahrtbehörde, Mike Whitaker, jetzt in einem Brief vor, über den Medien in den USA berichten. «Ich bin nach wie vor besorgt darüber, dass die FAA als Ganzes dieses Problem nicht ernster genommen hat, bis wir unseren Bericht mit den dringenden Sicherheitsempfehlungen herausgegeben haben», fährt Homendy fort.

Und das, «obwohl die Gefahr besteht, dass ein Flugzeug die Kontrolle verliert oder von der Landebahn abkommt, weil das Rudersteuersystem blockiert oder eingeschränkt ist», kritisierte Homendy in ihrem Schreiben an Whitaker. Sie sei enttäuscht, dass die FAA in sechs Monaten «offenbar keine dringenden Maßnahmen eingeleitet hat, um das Risiko einer blockierten Rudersteuerung anzugehen».

Ernsthaftigkeit heruntergespielt?

Seit 2017 wurden 353 fehlerhafte Aktuatoren vom Hersteller Collins Aerospace an Boeing geliefert. Einige der Bauteile wurden noch nicht verbaut, aber bis zu 271 betroffene Teile wurden wohl in Flugzeuge eingebaut, die von bis zu 40 verschiedenen ausländischen Fluggesellschaften betrieben werden. In den USA sind laut FAA keine Flugzeuge betroffen.

Homendy bemängelt, dass es bereits 2019 zwei Vorfälle mit fehlerhaften Aktuatoren gab und die FAA keine Maßnahmen ergriffen hatte, obwohl sie in den letzten sechs Monaten von diesen Vorfällen wusste. Man befürchte sogar, dass die FAA die Ernsthaftigkeit des Problems heruntergespielt haben könnte.

Vorwurf an Boeings Adresse

Auch gegen Boeing teilt sie aus. Der Flugzeugbauer habe es versäumt, die Betreiber über das Problem zu informieren. «Es ist inakzeptabel und kann nicht länger toleriert werden, dass die Betreiber nicht umfassend über die installierten Systeme und Ausrüstungen der an sie ausgelieferten Flugzeuge informiert werden», heißt es in dem Schreiben.

Auf das Unternehmen ist die NTSB-Chefin ohnehin nicht gut zu sprechen. Im Zuge der Ermittlungen zu Qualitätsproblemen in der 737-Produktion zeigte sie sich zuletzt immer wieder frustriert davon, dass Boeing nicht genügend kooperierte. «Warum braucht es eine schwere Tragödie, die so viel schlimmer hätte sein können, damit sich etwas ändert?», so ihr Vorwurf – sie bezieht sich dabei auf den Zwischenfall, als ein Türpaneel einer 737 Max 9 von Alaska Airlines im Flug herausgefallen war. Die folgenden Ermittlungen brachten viele Probleme bei Boeing ans Licht.