Boeing lehnte ab
Piloten forderten schon früh Update der 737 Max
Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max in Indonesien drängten American-Airlines-Piloten Boeing zu schnellem Handeln. Der Flugzeughersteller lehnte ab.
Boeing 737 Max von American Airlines: Die Piloten warnten früh.
Boeing 737 Max von American Airlines: Die Piloten warnten früh.
Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max von Lion Air mit 189 Toten im Oktober 2018 gehörten die großen Pilotengewerkschaften in den USA zu den ersten, die Boeing kritische Fragen stellten. Mitte November wollten sie vom Flugzeugbauer wissen, warum die Piloten nicht über die Existenz des Systems MCAS informiert waren. Es ist eigentlich dazu da, einen Strömungsabriss zu verhindern, kann bei falschen Daten der Anstellwinkelsensoren aber auch dafür sorgen, dass der Flieger die Nase wieder und wieder automatisch nach unten drückt, auch wenn dies unnötig und gefährlich ist.
Hinter verschlossenen Türen forderten die Piloten damals von Boeing auch schnelle Maßnahmen, wie die New York Times berichtet. Die Zeitung beruft sich dabei auf die Tonaufnahme eines Gespräches, das am 27. November in der Zentrale der Gewerkschaft der Piloten von American Airlines stattfand. Anwesend waren demnach auf Seiten von Boeing Entwicklungschef Mike Sinnett, ein führender Testpilot sowie ein Lobbyist. Ihnen gegenüber saßen mehrere Piloten als Gewerkschaftsvertreter.
«Nichts überstürzen und schlechten Job machen»
Einer der American-Airlines-Piloten forderte, dass Boeing die Federal Aviation Administration FAA dazu drängen sollte, eine zweite dringliche Lufttüchtigkeitsanweisung zur 737 Max herauszugeben. In einer ersten hatte die US-Luftfahrtbehörde nach dem Lion-Air-Unglück die Max-Betreiber gefordert, ihre Handbücher um Informationen zu ergänzen, wie Piloten vorgehen sollen, wenn eine sogenannte Runaway-Stabilizer-Situation mit Hinweisen auf falsche Sensor-Daten zusammenkommt. Der Gewerkschafter forderte, eine zweite Anweisung sollte ein Update der MCAS-Software anweisen.
Das hätte die Betreiber in den USA dazu gezwungen, umgehend zu handeln, und – da Boeing das Update noch nicht fertig hatte – wohl zu einem Grounding geführt, so die New York Times. Doch die Boeing-Vertreter wiesen den Vorschlag zurück. Entwicklungschef Sinnett erklärte, man überprüfe die Max und deren MCAS-System, könne aber noch nicht sagen, ob dieses System verantwortlich sei für den Lion-Air-Absturz. Zudem warnte er vor zu schnellem Vorgehen: «Wir wollen nichts überstürzen und einen schlechten Job machen, wenn wir die richtigen Dinge reparieren, und wir wollen auch nicht die falschen Dinge reparieren.»
Boeing äußert sich nach zweitem Absturz zum Update
Boeing überprüfte in der Folge die 737 Max und arbeitete an einem Update für das MCAS. Veröffentlicht wurde dies jedoch bis heute nicht. Am 10. März stürzte dann eine Boeing 737 Max von Ethiopian Airlines ab und riss 157 Menschen in den Tod. Einen Tag später äußerte sich der Flugzeugbauer zum Software-Update für die 737 Max. «In den vergangenen Monaten und in der Folge von Lion-Air-Flug JT610 hat Boeing eine Verbesserung der Flugsteuerungssoftware für die 737 Max entwickelt», teilte der Hersteller damals mit.
Doch warum ging es trotz des Drucks durch die Gewerkschafter nicht schneller? Die Zeitung Wall Street Journal berichtete im März unter Berufung auf Branchen- und Regierungskreise, eigentlich hätten die Software-Updates schon im Januar präsentiert werden sollen. Zur Verzögerung beigetragen haben sollen demnach technische Herausforderungen, die Haushaltssperre in den USA, aber vor allem auch Unstimmigkeiten zwischen den Sicherheitsexperten von Boeing und der FAA. Gemäß der Zeitung ging es dabei unter anderem um verbessertes Pilotentraining, Alarmsignale im Cockpit und Details zu den MCAS-Änderungen. Boeing soll eine relative einfache Lösung favorisiert haben.
«Erklärungen für Dinge, die einen töten könnten»
Beim Treffen von Gewerkschaftern und Boeing-Vertretern Ende November kritisierten die Piloten auch erneut, dass sie nichts von der Existenz des MCAS wussten. «Ich würde denken, dass es Priorität hat, Erklärungen für Dinge zu geben, die einen töten könnten», sagte einer der Piloten. Sinnett und Boeings Testpilot erklärten dagegen, man habe nicht angenommen, dass die Piloten von der Software wissen müssten, da sie bereits dafür geschult seien, mit Situationen wie der umzugehen, bei denen das Höhenleitwerk die Nase der Maschine wie beim Lion-Air-Unglück nach unten neigt.
Voraussetzung sei natürlich, dass die Crews trainiert wurden, so Sinnett. Jetzt, da das MCAS bekannt sei, sei er erst Recht zuversichtlich, dass Piloten mit solchen Situationen umgehen könnten. Boeing hat zum Umgang mit solchen Situationen stets auf das Vorgehen nach der sogenannten Runaway Stabilizer Checklist verwiesen, um das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch mittlerweile steht auch diese Liste auf dem Prüfstand.