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DDR-Flugzeug Baade 152

Als die DDR Passagierjets bauen wollte

Das erste deutsche Passagierflugzeug mit Strahltriebwerk wurde nicht in der BRD gebaut, sondern in der ehemaligen DDR. Ein Erfolg wurde das Modell namens 152 jedoch nicht.

Ein Traktor zog am 30. April 1958 die Sensation aus einer Montagehalle am Dresdener Flugplatz Klotzsche: das erste Verkehrsflugzeug mit Düsenantrieb aus Deutschland. Als Ehrengast war DDR-Staatschef Walter Ulbricht anwesend, Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED. Der Prototyp wurde vom Hersteller als «hallenfertig» und bereit zur «Bodenerprobung» präsentiert.

Fertig montiert oder gar flugtauglich war der Flieger aber noch lange nicht, auch wenn die Fernsehbilder das verheimlichten. Und so hob die Maschine mit der Kennung DM-ZYA erst am 4. Dezember zu ihrem etwa halbstündigen Jungfernflug ab. Der Name des eindrücklichen Modells: 152 oder Baade 152.

Vier Tote bei Absturz

Entwickelt wurde das vierstrahlige Kurz- und Mittelstreckenflugzeug unter der Regie des ehemaligen Junkers-Ingenieurs Brunolf Baade beim VEB Flugzeugwerke Dresden. Er hatte mit anderen deutschen Ingenieuren, die nach dem Zweiten Weltkrieg zwangsweise in die Sowjetunion gebracht worden waren, dort schon an der Entwicklung des zweistrahligen Düsenbombers 150 gearbeitet. Zurück in der DDR entwickelte und baute Baade mit seinem Team dann das Flugzeug, das der Vorzeigeflieger für die DDR-Luftfahrtindustrie werden sollte. Die 152 war eine Weiterentwicklung des sowjetischen Bombers 150.

Drei Monate nach dem Jungfernflug hob DM-ZYA erneut ab. Die Maschine sollte zuerst für Fotoaufnahmen in geringer Höhe über den Flugplatz Dresden fliegen und am Nachmittag dann über die Leipziger Frühjahrsmesse, um dort den sowjetischen Parteichef Nikita Khrushchev zu beeindrucken. Doch zu all dem kam es nicht. Im Anflug stürzte die Maschine rund sechs Kilometer vor dem Dresdener Flugfeld ab.

Bis zu 73 Passagiere

Die vier Besatzungsmitglieder, zwei Piloten und zwei Ingenieure, überlebten nicht. Während zunächst menschliches Versagen als offizieller Grund für das Unglück angeführt wurde, weiß man mittlerweile auch von technischen Problemen mit dem Treibstoffsystem. Das Programm wurde trotz des Desasters fortgeführt.

Nach Verzögerungen war 1960 ein weiterer Prototyp fertig und absolvierte als DM-ZYB im August und September je einen erfolgreichen Flug. Die neue Version der 152 hatte im Vergleich zum ersten Prototypen keine seitlichen Stützräder, sondern ein Dreipunktefahrwerk. In der DDR entwickelte Pirna-014-Triebwerke ersetzten die sowjetischen RD-9B. Der Jet bot 48 bis 73 Passagieren Platz. Doch im November erhielt der Flieger wegen Problemen mit der Tankanlage ein Flugverbot.

Ein Rumpf im Museum

Die erneute Verzögerung, der Absturz des ersten Prototypen, Fortschritte der Konkurrenz im Ausland – all das machte die 152 für Kunden wenig attraktiv. Als die Sowjetunion eine Großbestellung stornierte, war dies der Sargnagel für die in der DRR entwickelte 152. 1961 wurde die Produktion eingestellt. Alle gebauten oder im Bau befindlichen 152 wurden verschrottet, abgesehen von einigen Rümpfen. Der mit der Seriennummer 011 diente bis 1989 auf dem Flugplatz der Nationalen Volksarmee in Rothenburg/Oberlausitz als Bereitschafts- und Lagerraum.

Seit 1993 gehört der Rumpf dem Verkehrsmuseums Dresden und ist mittlerweile restauriert. Auch hier fristete er nicht immer ein sehr rühmliches Dasein: Er stand am hinteren Hallenrand und im Innern machte 2013 ein Bürogolf-Turnier Station. Im April 2018 wurde Rumpf 011 jedoch von einem Kran in eine neue Position gehoben, «jetzt als echter Blickfang zentral in der Hallenmitte», wie der Flughafen Dresden schreibt. Und das ist ja wohl auch angemessen für das erste deutsche strahlgetriebene Passagierflugzeug.

Sehen Sie in der oben stehenden Bildergalerie mit Videos historische Aufnahmen der 152.