60 Jahre Economy Class
Der große Sandwich-Krieg
Vor 60 Jahren führten Lufthansa und Co. die Economy Class ein. Das führte zu einem wüsten Streit zwischen Airlines in Europa und den USA. Er drehte sich um die Definition eines Sandwiches.
Alle so adrett: Die Economy Class in einer Boeing 707 von Lufthansa um 1960.
Bei KLM sah es bei der Einführung der neuen Reiseklasse 1958 so aus.
Das Menü von KLM …
… und das von Lufthansa: «Mit Vergnügen werden Sie die delikaten Häppchen verspeisen.»
Sechs Jahre später wurden bei Lufthansa die Reisenden …
… in der Holzklasse so bedient.
Alle so adrett: Die Economy Class in einer Boeing 707 von Lufthansa um 1960.
Bei KLM sah es bei der Einführung der neuen Reiseklasse 1958 so aus.
Das Menü von KLM …
… und das von Lufthansa: «Mit Vergnügen werden Sie die delikaten Häppchen verspeisen.»
Sechs Jahre später wurden bei Lufthansa die Reisenden …
… in der Holzklasse so bedient.
Lange Zeit war Fliegen ein Luxus. Nur Gutbetuchte konnten sich Reisen mit dem Flugzeug leisten. Und so wurde an Bord auch viel geboten. Essensservice am Tisch, bequeme Sofas, riesige Sessel – selbst Betten gab es in den Fliegern der Dreißigerjahre.
Mit dem Aufkommen größerer Flugzeuge wie der Douglas DC-7 erkannten die Fluggesellschaften in den Fünfzigerjahren das Potenzial der Preisdifferenzierung. Mit verschiedenen Klassen könnten sie breitere Bevölkerungsschichten ansprechen und so mehr verdienen. Die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung Iata – damals eine Art Kartell – willigte 1952 in die Einführung einer zweiten Klasse ein. Airlines durften ab dann eine Tourist Class führen. Die Ticketpreise lagen rund 30 Prozent tiefer als in der First Class. Das neue Angebot war aber auch weniger komfortabel.
Zuerst auf Nordatlantik-Routen
Die Tourist Class war dennoch ein riesiger Erfolg. Bei KLM stiegen die Passagierzahlen im ersten Jahr nach der Einführung um zwei Drittel. Kein Wunder, dass sich Fluglinien weltweit schnell noch mehr wünschten, zumal mit der Douglas DC-8 und der Boeing 707 nochmals größere und effizientere Flieger auf den Markt kamen und neue Möglichkeiten eröffneten. Die Iata war zuerst zurückhaltend, gab schließlich aber nach.
Ab August 1958 wurde die Economy Class als dritte Reiseklasse zugelassen – zuerst auf Nordatlantik-Routen. Die neue Klasse bot 20 Prozent günstigere Tickets. «Buchen Sie Economy – die Spar(kl)asse über dem Nordatlantik», warb Lufthansa damals für das neue Angebot und strich eine Ersparnis von 427 DM hervor. Spottbillig war es trotzdem nicht. Ein Flugticket von Frankfurt nach New York kostete damals 2672 Mark. Berücksichtigt man die veränderte Kaufkraft wären das umgerechnet in heutige Preise fast 1000 Euro.
«Nur Mahlzeiten bestehend aus einem Sandwich»
Die neue Klasse unterlag strikten Regeln. Die Iata schrieb vor, dass Reisenden lediglich eine einfache Mahlzeit vorgesetzt werden dürfe. «Nur Mahlzeiten bestehend aus einem Sandwich dürfen den Passagieren in der Economy zur Verfügung gestellt werden», hieß es in der entsprechenden Resolution. Angefügt wurde, sie sollten «einfach, klar und nicht teuer» sein. Nicht-alkoholische Getränke waren gratis, wer Wein wollte, musste dafür zahlen.
Bald entbrannte jedoch ein Streit darüber, was ein Sandwich sei. Die Europäer servierten ihren Economy-Passagieren kalte Platten. «Mit Vergnügen werden Sie die delikaten Häppchen verspeisen», warb Lufthansa. SAS servierte fünf Scheiben Ochsenzunge auf einem Salatblatt sowie Spargel auf einer Brotscheibe. Das gefiel den Amerikanern gar nicht, die klassische Sandwiches servierten – etwa Käse zwischen zwei Brotscheiben. Der Sandwich-Krieg brach aus.
«Verpacktes, gummiges Unverdaubares»
Pan Am und TWA klagten bei der Iata gegen Air France, KLM, SAS und Swissair, weil diese ihre Economy-Passagiere zu großzügig behandelten. Was die Konkurrenten auftischten, sei «weder einfach noch günstig». In einem Brief an die Organisation verteidigte sich Swissair, jeder «habe das Recht auf eine eigene Interpretation des Sandwiches. Wir haben unsere». Die Skandinavier mokierten sich in einem Brief an Kunden über die US-Anbieter. «In unseren Fliegern finden Sie kein in Zellophan verpacktes, gummiges Unverdaubares», so SAS.
Es kam soweit, dass die amerikanischen Airlines den Europäern die Landerechte in den USA entziehen wollten. Die Iata schritt ein – und entschied zugunsten der Amerikaner. Wer sich dem widersetzte, dem wurde mit Strafen gedroht.
Das Schiff überholt
Die neue Klasse setzte sich so oder so durch. 1958 reisten zum ersten Mal mehr Menschen mit dem Flugzeug nach Nordamerik als mit dem Schiff. Es war der Beginn des Zeitalters des Fliegens für alle.
Sehen Sie in der oben stehenden Bildergalerie Aufnahmen aus der Anfangszeit der Economy Class bei Lufthansa und KLM.