Letzte Aktualisierung: um 19:46 Uhr

Erstflug vor 60 Jahren

Condors Reise nach Jerusalem

Vor 60 Jahren hob zum ersten Mal ein Flugzeug von Condor ab. Die Pionierreise führte nach Israel - und war ganz schön beschwerlich.

In Ost-Jerusalem war Hans Geisler in den Fünfzigerjahren bekannt wie ein bunter Hund, denn der groß gewachsene Deutsche, den hier alle nur Mr. Hans nannten, war praktisch der Einzige, der regelmäßig Touristen in die Stadt brachte. Zu Ostern 1956 waren es rund hundert amerikanische Urlauber, die sich mit den drei Flugzeugen der Deutschen Flugdienst, aus der später Condor wurde, auf die Reise machten. Die neue Fluggesellschaft hatte ihren Jungfernflug für diesen besonderen Auftrag um mehr als einen Monat vorverlegt, und dadurch wurden die ersten Wochen für das neue Unternehmen ganz besonders hektisch.

Doch zu dieser Zeit fanden Urlaubsflüge in Deutschland fast ausschließlich in den Sommerferien statt und somit war jeder Auftrag außerhalb der Saison besonders wertvoll. Flugdienst-Verkaufsleiter Dr. Seichert hatte mit dem Reiseveranstalter Hans Geisler einen Kunden gefunden, dessen Erfolg auf eine ganz besondere Geschäftsidee basiert. Da die Deutschen so kurz nach dem Krieg immer noch knapp bei Kasse waren, suchte er seine reisewillige Kundschaft unter den Angehörigen der in Europa stationierten amerikanischen Streitkräfte.

Die Reise kostete 465 Dollar

Diese bezogen nicht nur üppige Auslandszulagen, sondern bezahlten noch dazu mit Dollars – zum damaligen Wechselkurs von 4,20 Deutschen Mark für einen Dollar ein sehr gutes Geschäft. Geisler tingelte mit seinen 16mm-Farbfilmen, die er auf seinen Reisen in den Nahen Osten angefertigt hatte, von einer amerikanischen Kaserne zur nächsten und führt die Filme dort kostenlos in Schulklassen und Offizierskasinos vor. Diese unkonventionelle Art der Werbung kam besonders gut bei den Zivilangestellten der Militärverwaltung an und so waren es vor allen Dingen Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern, sowie einige Sekretärinnen, die sich im März 1956 auf den Weg in das Heilige Land und nach Ägypten machten.

Die 14-tägige Reise kostete damals alles inklusive 465 Dollar, entsprechend 1953 Deutschen Mark, und führte von Frankfurt zunächst nach Beirut, dann nach Damaskus und von dort aus weiter in die heilige Stadt Jerusalem. Danach ging es über Luxor und Kairo wieder nach Deutschland zurück.

Im Cockpit saß Captain Lacy

Für die eben gerade erst frisch gegründete Deutsche Flugdienst stellte dieser Erstflug eine ganz besondere logistische Herausforderung dar, denn die Flugroute war alles andere als einfach und auch die Vorlaufzeit äußerst knapp bemessen. Doch alle Vorbereitungen konnten pünktlich abgeschlossen werden und so begab sich am 29. März 1956 alles, was in der neuen Fluggesellschaft Beine hatte, auf den Weg zum Flughafen, um unter großem Jubel Captain Lacy und seine Crew auf diesen besonderen Jungfernflug zu verabschieden.

Schon am nächsten Tag folgten die anderen zwei Maschinen auf derselben Flugroute. Eine neue Airline war geboren und sicherlich ahnte zu diesem Zeitpunkt keiner der Beteiligten, dass diese Gesellschaft die deutsche Flugtouristik für die nächsten Jahrzehnte ganz maßgeblich beeinflussen würde.

Erstes Auftanken in Nizza

Ein Flug über Jerusalem nach Ägypten war in den Fünfzigern noch ein wirkliches Abenteuer. Schon der erste Streckenabschnitt nach Beirut stellte für die Vickers-Viking-Flugzeuge eine große Kraftanstrengung da. Die Maschinen waren noch nicht mit einer Druck­kabine ausgestattet und mussten die Alpen weiträumig umfliegen. Dabei blieb die eigentlich günstigere Ost-Route durch den damals fest verschlossenen Eisernen Vorhang versperrt und so ging es zunächst durch das Tal der Rhône nach Nizza, wo zum ersten Mal aufgetankt wurde.

Für den nächsten Flugabschnitt musste die Reichweite der Viking bis aufs Letzte ausgenutzt werden, um dann in Athen ein weiteres Mal auftanken zu können. Nach fast 11 Stunden Flugzeit, die zwei Zwischenlandungen nicht mitgerechnet, war Beirut endlich erreicht. Die Stadt galt damals als das Paris des Nahen Ostens und so bekamen die amerikanischen Touristen zum Besichtigungsprogramm noch ein ausschweifendes Nachtleben mit großen Abendveranstaltungen auf westlichem Niveau geboten. Der libanesische Bürgerkrieg lag noch in ferner Zukunft.

Flughafen inzwischen geschlossen

Von Beirut aus ging es nach einem kurzen Stopp in Damaskus weiter nach Jerusalem. Die drei Vikings landeten dort auf dem Flughafen Kalandia an der Ausfallstraße nach Ramallah. Dieser Flughafen befindet sich genau wie die Altstadt mit ihren Kulturschätzen im damals von Jordanien annektierten Ostteil der Stadt und stellte zu dieser Zeit die einzige Gelegenheit dar, mit dem Flugzeug in der Nähe der Heiligtümer zu landen – eine Möglichkeit übrigens, die heute nicht mehr besteht, denn der inzwischen in Atarot umbenannte Flughafen liegt direkt an der Grenzmauer zum Westjordanland und wurde nach der zweiten Intifada 2001 aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Eine solche Reise warf damals nicht nur fliegerische Probleme auf. Man führte zum Beispiel für den Tauschhandel und für kleine Gefälligkeiten vor Ort eine große Kiste mit Zigaretten, Nylonstrümpfen und Herrenmagazinen mit sich. Die Bordverpflegung wurde entweder von den Hotels zubereitet oder die Crews kauften, wenn man mit der Hotelküche nicht zufrieden war, alles Nötige auf dem lokalen Mark ein. Auch die Qualität der Unterkünfte ließ oft zu wünschen übrig, selbst wenn es sich um das erste Haus am Platz handelte. In Jerusalem verstand man damals beispielsweise unter dem Begriff «mit fließend Wasser» einen einzigen Hahn für das ganze Hotel.

Teppichrollen im Kabineneingang

Nachdem man sich ein paar Tage Zeit für die Besichtigung der Grabeskirche, der Klagemauer, des Felsendoms und der vielen anderen Sehenswürdigkeiten genommen hatte, ging die Reise weiter nach Luxor. Dort standen Theben, Karnak und das Tal der Könige auf dem Programm, bevor es weiter nach Kairo und zu den Pyramiden ging.

Der Rückflug von Ägypten führte zunächst nach Athen und von dort aus auf der vom Hinflug bekannten langen Strecke über Nizza nach Frankfurt. Dabei ging es noch etwas unbequemer zu als auf dem Hinweg, denn die amerikanischen Touristen hatten sich dermaßen mit Souvenirs eingedeckt, dass einige der erstandenen Teppichrollen nur noch im Kabinengang Platz fanden.

Die Geschichte des Erstflugs stammt aus dem Buch Condor: Ferienflieger mit Tradition von Karl–Peter Ritter. Es ist hier erhältlich.

Erfahren Sie mehr über die Geschichte von Condor in der oben stehenden Bildergalerie.