Letzte Aktualisierung: um 12:26 Uhr

Wolfgang Grimus, Flughafen Graz

«Ziel muss sein, dass Eurowings ein zweites Flugzeug in Graz stationiert»

Der Flughafen Graz feiert 110. Geburtstag. Im Interview spricht Chef Wolfgang Grimus über eingestellte Routen von KLM und Turkish Airlines, über Eurowings' Bedeutung für Graz und eine verpasste «Jahrhundertchance».

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Der Flughafen Graz feiert aktuell seinen 110-jährigen Geburtstag. Mit wie vielen Passagieren rechnen Sie im Jubiläumsjahr?
Wolfgang Grimus*: Im vergangenen Jahr haben wir 733.000 Passagiere am Flughafen Graz verzeichnet, was einem 32-prozentigen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Tagesaktuell verzeichneten wir bislang in den ersten vier Monaten des neuen Jahres einen weiteren Passagierzuwachs von rund 29 Prozent. Dieser Anstieg wird sich aber demnächst vermutlich abflachen. Bis Ende 2024 rechnen wir mit rund 800.000 Passagieren.

Wie lange wird es dauern, bis Graz die Millionengrenze aus dem Jahr 2018 wieder erreicht?
Das könnte noch bis 2025/2026 dauern.

Worin liegt die größte Herausforderung für einen Regionalflughafen wie Graz?
Die größte Herausforderung für Graz – wie wahrscheinlich für jeden anderen Regionalflughafen auch – ist es, eine der Nachfrage entsprechende Flugplanstruktur zu
schaffen, sprich ausreichende Linienverbindungen für das jeweilige Passagiersegment zu finden. Der Flughafen Graz ist stark geschäftsreiselastig durch die starke Wirtschaft und Automobilindustrie der Region. Daher ist es für unseren Regionalflughafen wichtig, Umsteigeflughäfen anzufliegen, wo die Passagiere die passenden Anschlussflüge der Hub-Airlines erreichen. Zudem ist es wichtig, eine Anbindung an die größten Wirtschaftszentren zu haben, in unserem Fall sind das aktuell Düsseldorf und Berlin. Und schließlich benötigt man ein vernünftiges Outgoing-Programm, etwa zu den wichtigen Warmwasserzielen.

Wie sieht es mit den angesprochenen Drehkreuz-Anbindungen aus? KLM hat erst vor Kurzem die Amsterdam-Strecke aufgegeben und Turkish Airlines kam nach Covid nicht mehr zurück.
Natürlich bleibt es weiter das Ziel, diese beiden Verbindungen wieder aufzunehmen und die Hub-Anbindungen weiter auszubauen. Im Vergleich mit den anderen österreichischen Regionalflughäfen sind wir der am besten angebundene Flughafen. Mit vier täglichen Flügen nach Frankfurt und München, drei Mal täglich nach Wien und den aktuell fünf Flügen nach Zürich sind wir gut aufgestellt. Ein kleiner Wehrmutstropfen war aber sicherlich der Wegfall der KLM-Anbindung nach Amsterdam nach mehr als sechs Jahren.

Lag die Einstellung der Amsterdam-Verbindung wirklich nur an den reduzierten Kapazitäten am Flughafen Amsterdam, oder fehlten auch die nötigen Passagiere?
Das war eine Kombination aus mehreren Gründen. Das größte Thema war aber sicherlich die Reduzierung der Kapazitäten in Schiphol, wo die Regierung stark Druck macht, die Anzahl der Flüge zu reduzieren, weshalb KLM ihre Kapazitäten als Hausherr reduzieren musste. Gerade in den Wintermonaten war aber auch die geringe Auslastung im Vergleich zum restlichen KLM-Streckennetz ein Grund, warum es zu dieser Entscheidung kam.

Und was war der Grund dafür, dass Turkish Airlines nach der Pandemie nicht zurück kam?
Wir sprechen mit vielen Fluglinien bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Bei Turkish Airlines sind wir dran, doch gab es bislang noch kein konkretes Ergebnis.

Das Terminal von Graz. Bild: Flughafen Graz

Eurowings hat dafür am Flughafen Graz inzwischen eine besondere Stellung eingenommen. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Kooperation?
Sehr zufrieden. Am 3. Mai des vergangenen Jahres hat Eurowings ihr erstes Flugzeug hier stationiert und inzwischen ist die Fluglinie passagiermäßig zum größten Anbieter am Flughafen Graz geworden. Inzwischen fliegt sie zwölf Destinationen an, mit einer guten Mischung aus attraktiven Städtereise- und Geschäftsdestinationen sowie Verbindungen zu den wichtigsten Warmwasserdestinationen am Mittelmeer. Ein klares Ziel muss es sein, dass Eurowings ein zweites Flugzeug in Graz stationiert, um sowohl die Anzahl der Flüge auf den vorhandenen Strecken zu erhöhen, als auch neue Ziele anbieten zu können – wozu natürlich auch die Unterstützung der Reiseveranstalter notwendig ist.

Wie wichtig ist die Austrian-Anbindung ans Drehkreuz Wien?
Sehr wichtig. Denn 99 Prozent dieser Passagiere sind Umsteiger, die im AUA-Netzwerk weiterfliegen, weshalb sich für mich nicht die Frage stellt, ob man diese Flüge einstellen sollte. Denn was würde passieren, wenn man diese Verbindung einstellt? Die Wertschöpfung würde ins Ausland verlagert und die Verlierer wären Austrian Airlines und der Flughafen Wien. Tatsächlich würde sich nur ein kleiner Teil der Passagiere auf die Bahn verlagern lassen, dies hat man bereits auf der Linz-Wien-Verbindung gesehen. Die Umwelt wäre nicht der Gewinner, denn die Passagiere würden dann über München, Frankfurt oder andere Hubs in die weite Welt fliegen, während die Verlierer in Österreich zu suchen wären.

Ich bin optimistisch, dass im kommenden Jahr wieder sechs wöchentliche Flüge zwischen Graz und Zürich angeboten werden können.

Wie groß ist das Passagieraufkommen auf der Wien-Verbindung?
Im Jahr 2019 haben rund 130.000 Passagiere sie genutzt, inzwischen sind die Zahlen zurückgegangen. Aber rund 10 Prozent aller Passagiere des Flughafens Graz kann man der Verbindung zum AUA-Drehkreuz nach Wien anrechnen.

Und wie sieht es mit der Koralmbahn-Anbindung aus, die 2028 eröffnet werden soll? Gibt es dann einen Stopp am Grazer Flughafen?
Die Trasse der Koralmbahn führt rund 200 Meter neben dem Flughafen vorbei. Aktuell baut man die Hülle der Trasse so, dass nachträglich eine Bahnstation eingebaut werden könnte. Aber ob es dazu kommen wird, ist noch die Frage. Damit hat man meiner Meinung nach eine Jahrhundertchance vertan. Es grenzt an einen Schildbürgerstreich, den Flughafen Graz nicht gleich mit der Bahn zu vernetzen. Wir arbeiten aber weiter gemeinsam mit der ÖBB an einer Lösung für das Problem, indem man einzelne Züge über die bisherige Regionalstation am Flughafen aus der neuen Koralmverbindung ableitet.

Wächst die Swiss-Route nach Zürich weiter?
Vor der Corona-Pandemie war Swiss bereits sechs Mal pro Woche in Graz. Nach Corona hat man zunächst mit drei Flügen pro Woche begonnen und arbeitet sich jetzt wieder langsam zurück auf das vorige Niveau. Ich bin optimistisch, dass im kommenden Jahr wieder sechs wöchentliche Flüge zwischen Graz und Zürich angeboten werden können.

Das Thema Luftfahrt ist nicht mehr so sexy besetzt wie früher einmal.

Wie ist die Nachfrage nach Charterflügen in Graz?
Der touristische Verkehr war bereits im vergangenen Jahr höher als vor Corona. Die Reiselust ist weiterhin groß, während der Geschäftsreiseverkehr noch unter den Zahlen vor Corona liegt. Die Reiseveranstalter haben sich deshalb gemeinsam mit den Airlines dazu entschlossen, das touristische Programm in Graz weiter auszubauen. Im konkreten Fall wird neu Sun Express neben Corendon mehrmals wöchentlich nach Antalya fliegen. Eurowings hat manche ihrer Flüge weiter aufgestockt, wie zum Beispiel nach Palma. Generell geht es gar nicht darum, neue Strecken anzubieten, sondern bestehende weiter auszubauen.

Ist Arbeitskräftemangel für Sie aktuell noch so ein großes Thema wie früher?
Es ist immer noch eine Herausforderung, denn das Thema Luftfahrt ist nicht mehr so sexy besetzt wie früher einmal. Gerade im operativen Bereich hat man Schichtdienst und Wochenendarbeitszeiten, die nicht so attraktiv sind. Es bleibt daher weiterhin eine Challenge für uns.

Die Geschichte des Flughafens Graz begann 1914. Hier ein Foto von 1957. Bild: Flughafen Graz

Welche Wünsche haben Sie als Vorstand des Unternehmens für die Zukunft des Flughafen Graz?
Der Flughafen Graz soll weiterhin profitabel betrieben werden, er soll ein attraktiver Arbeitgeber sein und natürlich soll das Flugangebot sowohl für die regionale Wirtschaft als auch für den touristischen Verkehr gut aufgestellt sein.

*Wolfgang Grimus begann seine Luftfahrt-Karriere 1985 in der Finanz- und später in der Marketingabteilung von Austrian Airlines. Zwischen 1994 und 2001 arbeitete er beim Flugunternehmen von Niki Lauda (Lauda Air) als Chef des Bereichs Routen-Entwicklung und als Direktor der Netzwerk. Anschließend 2001 zog es ihn wieder zu Austrian Airlines, dieses Mal als Chef der Netzwerkplanung. Nach einer kurzen Auszeit als Berater begann er im Jahr 2011 als Direktor Netzwerkmanagement bei Air Berlin. Zwischen 2017 und 2020 folgten Jahre bei Qatar Airways in Doha, ebenfalls als Direktor Netzwerkmanagement, bevor Grimus im Januar 2021 nach Österreich zurückkehrte und Chef des Flughafens Graz wurde.