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Boeing 727

Wie ein Dreistrahler die Welt eroberte

Vor 60 Jahren wurde die erste Boeing 727 ausgeliefert. Zwischen 1963 und 1984 wurden 1832 Exemplare gefertigt. Werfen wir einen Blick auf Entwicklungsgeschichte, Gegenwart und Zukunft dieses Boeing-Modells.

Die Ära der Düsenflugzeuge war eingeleitet.  De Havilland mit ihrer Comet und Sud Aviation mit ihrer Caravelle waren in den 1950er-Jahren die Vorreiter der neuen Technologie. Und auf der Langstrecke heißen Anfang der 1960er-Jahre die führenden Anbieter Boeing und Douglas mit der 707 und der DC-8. Für die Kurz- und Mittelstrecke gab es jedoch in den USA trotz anziehender Nachfrage kein passendes Flugzeug.

So machte sich Boeing an die Entwicklung eines dreistrahligen Jets mit der Möglichkeit maximal 131 Fluggäste zu befördern. Es wies eine extrem gute Leistung im Betrieb auf kurzen Pisten und beim Steigflug auf. Der Hersteller entschied sich daher, das neue Modell nicht 717 zu nennen, wie es nach der 707 eigentlich logisch gewesen wäre, sondern gleich 727. Der Startschuss zum Bau wurde am 5. Dezember 1960 gegeben, als sowohl United Airlines als auch Eastern Airlines je 40 Exemplare bestellten.

Lufthansa erste Kundin außerhalb der USA

So feierte man am 27. November 1962 in Renton den Roll-Out der Boeing 727 mit dem Kennzeichen N7001U. Die Boeing 727 wies in ihrer Ursprungsversion eine Länge von 40,59 Meter, eine Höhe von 10,36 Meter und eine Spannweite von 32,92 Meter auf. Alle drei Triebwerke der Version JT8D-1/7/9 befinden sich am Heck, während das mittlere Triebwerk in das Leitwerk integriert ist. Die Reichweite liegt bei 3056 Kilometer, die Reisegeschwindigkeit bei bis zu 960 Kilometer pro Stunde bei einer maximalen Flughöhe von 13.000 Meter. Das maximale Abfluggewicht beträgt 76.700 Kilogramm.

Der Erstflug fand am 6. Februar 1963 statt und vier Prototypen absolvierten das Musterzulassungsprogramm. Weitere Bestellungen gingen ein, so von Lufthansa als erstem nichtamerikanischen Kunde über 30 Exemplare. In Österreich und in der Schweiz bestellte keine Airline die Boeing 727. Die Zertifizierung erfolgte bereits im November des Erstflugjahres 1963 und die Indienststellung fand feierlich am 1. Februar 1964 mit einer Boeing 727 von Eastern Airlines statt. Die Urversion -100 trug diese Bezeichnung anfänglich gar nicht und nach der Typenbezeichnung Boeing 727 folgte gleich der Boeing-Kundencode, bei United Airlines ist das in diesem Fall die 22, bei Lufthansa beispielsweise die 30. Auch gab es die 727 in der Fracht- und Quick Change Variante. Auch als Militärvariante, C-22 genannt, wurde sie verkauft.

Konkurrenten formierten sich

Das Flugzeug erfreute sich großer Beliebtheit. Modelle mit dem ins Leitwerk integrierten dritten Triebwerk kannte man ansonsten lediglich von den Großraumflugzeugen Lockheed Tristar und Douglas DC-10. In Großbritannien entwickelte jedoch auch Hawker Siddeley mit der Trident im 727-Segment ebenfalls ein Flugzeug mit dieser Konstruktion, welches der Boeing 727 gar ein Jahr voraus war. Hiervon wurden aber nur 117 Stück gebaut. Auch in der Sowjetunion fand man Gefallen an dieser Konstruktion in ähnlicher Größe mit der Tupolev Tu-154, die aber erst Ende der 1960er-Jahre ihren Erstflug feierte.


Hawker-Siddeley Trident. Bild: BAE Systems

Zwischen 1962 und 1972 wurden 572 Exemplare der Grundversion der Boeing 727 gebaut, davon 164 als Frachter und Quick Change Variante. Das letzte Exemplar wurde am 18. Oktober 1972 an Dominicana abgeliefert. Aber während die Auslieferungen der Urversion auf Hochtouren liefen, arbeitete Boeing bereits intensiv an einer gestreckten Variante, denn die Boeing 727 war von Anfang an für eine größere Version ausgelegt. So wurde der Rumpf um ganze 6,10 Meter von 40,59 auf 46,69 Meter verlängert unter Beibehaltung der Spannweite von 32,92 Meter und Leitwerkshöhe von 10,36 Meter.

Großerfolg mit gestreckter Variante

Das maximale Abfluggewicht erhöhte sich jedoch von 73.275 Kilogramm in der Grundversion auf 95.030 Kilogramm bei der gestreckten Variante. Auch die Reichweite wuchs von 3056 auf 4020 Kilometer. Die maximale Sitzplatzkapazität erweiterte sich von 131 auf 189 Sitzplätze und auch in einer Mehrklassenkonfiguration konnten bequem noch deutlich mehr als 150 Passagiere Platz finden. Mit diesen Leistungsdaten war die neue Boeing 727-200 genannte Variante Spitzenreiter in ihrer Klasse im Flugzeugbau weltweit.

Der Erstflug der Boeing 727-200 fand am 16. August 1967 statt mit Erstauslieferung am 29. Januar 1968 an Northeast Airlines. Wie man an der Kundenliste sieht, orderten viele Kunden der Grundversion auch die gestreckte Variante zur Ergänzung, immerhin konnten beide durch die gleichen Crews geflogen werden. Aber die gestreckte Variante zog auch zahlreich neue Kunden an. Nun wo es die Typenbezeichnung Boeing 727-200 gab, wurde die Grundversion von Boeing 727 in Boeing 727-100 umbenannt. Insgesamt baute Boeing zwischen 1967 und 1984 1245 Boeing 727-200 in der Passagier- und nur 15 in der Frachtvariante.

Dreistrahler geraten außer Mode

Mit der letzten Ablieferung eines Frachters an Fedex endete am 18. September 1984 die Boeing 727-Baureihe, die es insgesamt zwischen 1962 und 1984, also in 22 Jahren Produktionszeitraum auf stolze 1832 Exemplare brachte. Die letzte Passagier-B727-200 ging schon am 6. April 1983 an US Airways. Somit war die Boeing 727 im Jahre 1984 das bis dato meistverkaufte Düsenverkehrsflugzeug der Welt.


Ehemalige Boeing 727 von Olympic Airways. Bild: Zela Aviation

Am 1.Januar 1983 fand die Indienststellung ihres größeren Nachfolgers Boeing 757-200 mit mehr als 200 Sitzplätzen mit nur zwei Triebwerken unter den Tragflächen statt, außerdem feierte am 24.Februar 1984 die verbesserte Boeing 737 der Version -300 mit neuen Triebwerken ihren Erstflug. Beide neuen Boeing-Muster zogen zahlreiche Bestellungen an. Es brachen Anfang der 1980er-Jahre neue Zeiten an, ein Dreistrahler in dieser Kapazität war aus Kostengründen nicht mehr attraktiv. Und auch Konkurrentin McDonnell Douglas streckte die bewährte DC-9 auf eine Boeing 727- Kapazitätsgröße, die ebenfalls zweistrahlige MD-80 und diese neuen Projekte schickten sich an das bislang meistverkaufte Strahlverkehrsflugzeug abzulösen.

Zweites und drittes Leben

Über die Erstkunden der -100er und -200er hinaus gab es zahlreiche Nachnutzer gebrauchter Exemplare, die sie quasi in ihrem zweiten Leben einsetzten. Ein in Europa sehr bekannter Betreiber war Hapag-Lloyd Flug, die ab 1973 acht ehemalige All Nippon Airways-, TOA Domestic Airlines-, JDA Japan Domestic Airlines-, Japan Airlines- und Sabena-Flieger einsetzte, aber später auch noch drei fabrikneue 727-200er orderte. Aber auch die britische Dan Air London setzte auf 22 gebrauchte Boeing 727 beider Varianten die fabrikneu einmal bei Lufthansa, Japan Airlines, United Airlines, Northeast Airlines, Pacific Airlines, Canadian Pacific Airlines, Ansett Airlines, Condor, Mexicana, Trans Australian Airlines, Dominicana, Singapore Airlines und Sterling Airways im Einsatz standen.

Problematisch wurden für die Boeing 727 in den 1980er-Jahren die neuen Lärmschutzvorschriften an den Flughäfen, denn ihre Pratt & Whitney JT8D-15 erlaubten maximal eine Zulassung nach Chapter II und nicht nach dem neu eingeführten Chapter III. Wurden etliche ausgediente Passagier-727 nun zu Frachtern umgebaut, die meist nachts eingesetzt wurden, war die Nachrüstung mit Schalldämpfern absolut notwendig. Hier war Fedex als Hauptnutzer ihrer Originalfrachter und weiteren 189 umgerüsteten Fliegern Vorreiter. Aber auch UPS tüftelte an einer technischen Lösung, immerhin erwarb sie 61 ehemalige Passgier-727.

Problemfeld Lärm

Die Firma Valsan bot zudem die Umrüstung der beiden äußeren Hecktriebwerke auf die Version Pratt & Whitney JT8D-217 und 219 an mit Schubumkehrklappen, die auch die McDonnell Douglas MD-80 verwendete, während das mittlere Triebwerk mit Hush-Kits ausgestattet wurde. Da diese Modifikationen sogar auch bessere Leistungswerte neben dem Erlangen des Chapter III Lärmzertifikates mit sich brachten, wurde diese Variante als Super 27 bezeichnet. Trotz diesen nennenswerten Verbesserungen gab es lediglich 54 Umrüstungen. Auch der Anbau von treibstoffsparenden Winglets brachte keine größeren Verkaufserfolge.

Gegenwärtig sind noch 56 Boeing 727 weltweit aktiv. Der Prototyp N7001U mit dem Namen Spirit of Seattle kann im Museum of Flight in der früheren United Airlines Bemalung besichtigt werden, zudem stehen weltweit noch 435 Exemplare inaktiv und zum Teil ausgeschlachtet auf der ganzen Welt herum, darunter 68 -100er.