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Der stille neue Herr über OLT

Jaap Rosen Jacobson kaufte OLT Express Germany. Wer ist der Mann, der die deutsche Airline rettete? Eine Spurensuche.

Lange brauchte Joachim Klein nicht. Vor etwas mehr als zwei Wochen gab die umstrittene polnische Eigentümerin Amber Gold bekannt, sich von ihrer deutschen Fluglinie zu trennen. Am Mittwoch vor einer Woche (8. August) stellte der Chef von OLT Express Germany bereits einen neuen Besitzer vor. «Wir können die Phase der Unsicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der OLT Express Germany und der Contact Air damit schnell beenden. Ich freue mich, dass wir gemeinsam wieder mit voller Konzentration nach vorne schauen und die Expansion mit aller Kraft umsetzen können», kommentierte Klein. Ab sofort liegt das Schicksal von OLT in den Händen der niederländischen Investmentgesellschaft Panta Holdings.

Wer zu Panta Holdings will, muss in eine kleine Straße in einem schmucklosen Quartier am Rande des niederländischen Städtchens Mijdrecht. Es ist keine wirtliche Gegend. Schnell hingestellte Zweckbauten, Stapel von Altmetall und verstellte Flächen prägen das Bild im Gewerbegebiet. Gegenüber dem unscheinbaren blaugrauen Gebäude, in dem Panta Holdings und ein gutes Dutzend weitere Firmen sitzen, liegt eine Kläranlage. Doch die Lage hat auch ihre Vorteile. Amsterdam liegt nur rund 25 Kilometer weit entfernt im Norden, der Flughafen Schiphol ist noch schneller zu erreichen. Von hier aus lenkt Jaap Rosen Jacobson sein kleines Luftfahrt-Imperium, zu dem nun auch OLT Express Germany gehört.

Sanfter Blick, große Versprechen

Viel weiß man nicht über den großgewachsenen Mann mit grauen, gekrausten Haaren und einem wachen, sanften Blick. «Wir führten in den vergangenen Tagen sehr intensive Gespräche und lernten sowohl OLT Express Germany als auch Contact Air sehr gut kennen. Wir sind von der Professionalität und der Leistungsfähigkeit beider Unternehmen überzeugt und gehen davon aus, dass sich die neue Airline mit ihrer Wachstumsstrategie erfolgreich am Markt etablieren wird», lässt er sich in der Medienmitteilung zur Übernahme zitieren. Wie viel er für die deutsche Fluglinie zahlte oder was er mit ihr vorhat, dazu äußerte sich der neue Besitzer nicht.

Der Schlüssel zum Geheimnis hinter der Akquisition dürfte in der Flotte von OLT Express Germany liegen. Vier Fokker 100 betreibt die deutsche Traditionsairline (wovon zwei von Contact Air stammen und momentan stillgelegt sind), mit der Übernahme der Stuttgarter Contact Air stoßen acht weitere Fokker 100 hinzu. Und um diese Maschinen dreht sich Jacobsons ganzes Geschäftsleben seit 2003. Nach dem Konkurs des niederländischen Flugzeugbauers im Jahr 1996 kaufte er die Rechte an den Modellen und der Technik. Unter dem Dach seiner Panta Holdings gründete Jacobson das Tochterunternehmen Rekkof – Fokker rückwärts. Seit damals versucht er die Kultmaschinen aus den Niederlanden wieder auferstehen zu lassen. Doch obwohl man Produktionsstart mehrmals als unmittelbar bevorstehend angekündigte, fliegen noch keine Maschinen von Rekkof. Aus der Zentrale in Mijdrecht kamen über Jahre viele Versprechen und wenige Resultate. Die Pläne wurden immer wieder über den Haufen geworfen. Zuerst sprach Jacobson etwa von einer Neuauflage der Fokker 70, später wurde es eine neue Fokker 100.

Neuer Schub für Fokker-Projekt

Doch das von vielen bereits tot geglaubte Projekt erhielt 2010 unerwartet neuen Schub. Die niederländische Regierung gewährte Rekkof oder NG Aircraft, wie sie sich das Panta-Tochterunternehmen inzwischen nennt, einen Kredit über 20 Millionen Euro, um einen Prototypen herzustellen. Dadurch sollten auch neue Investoren angelockt werden. Aktuell plant Jacobson eine Neuauflage der Fokker 100, die sich F120NG nennt und 120 Passagiere transportieren soll. Die Vorstellung des neuen Flugzeugs plant er für Ende 2013. Und wenn der Prototyp Anklang findet, soll der erste Flieger bereits 2015 aus dem Hangar rollen. Ernst scheint es den Machern immer noch zu sein. An der Luftfahrtmesse in Farnborough 2012 waren sie jedenfalls mit einem eigenen Auftritt präsent. Sie präsentierten dort eine veränderte Maschine mit einem stärkeren Triebwerk von Pratt & Whitney. Die schweren Turbinen erforderten eine Verlängerung des Rumpfes und eine Verstärkung der Tragflächen. Die Branche wartet nun gespannt, ob den Ankündigungen dieses Mal auch wirklich Resultate folgen.

Eines ist sicher: Jacobson könnte davon profitieren, dass er mit OLT nun eine gut eingeführte, eigene Linienfluggesellschaft besitzt. Denn die könnte zu NG Aircrafts Erstkunde werden. Immerhin sind die Fokker in der Flotte bereits zwischen 17 und 18 Jahren alt. Sie nähern sich also in den nächsten Jahren einmal der Altersgrenze, die von Passagieren in Europa akzeptiert wird. Panta-Chef Jacobson war bis zum Abschluss dieses Artikels für eine Stellungnahme zu seinen Plänen nicht erreichbar.

Airline in der Insovlenz

Auch bei seinen anderen Aktivitäten stehen Fokker-Flieger im Mittelpunkt. Und auch dort gibt es ein potenzielles Absatzpotenzial. Jacobson gehört neben OLT die niederländische Charterfluglinie Denim Air mit einer Flotte von vier Fokker 50 und einer Fokker 100. Sie fliegt heute unter anderem für Flybe, den schwedischen Regionalanbieter Höga Kusten Flyg oder die britische Blue Islands. Die Denim-Flieger sind bereits mehr als 20 Jahre alt. Auch bei der anderen Panta-Tochter Mass Leasing dreht sich alles um Fokker-Maschinen. Sie bietet die Fluggesellschaften in der ganzen Welt Jets im Leasing an. 15 Fokker 100 und vier Fokker 50 stehen nach eigenen Angaben in ihrem Hangar.

Aber nicht alles, was Jacobson anpackt, läuft rund. Im Februar 2010 schlitterte Denim Air in die Insolvenz, nachdem sie Aufträge der spanischen Air Nostrum und der nigerianischen Arik Air verloren hatte. Kurze Zeit später hob die Fluglinie mit weniger Flieger aber bereits wieder ab. Der Verband der niederländischen Berufspiloten VNV sprach danach von einem Missbrauch des Konkursrechtes. Man habe einfach Personal loswerden wollen, erklärte der Präsident damals gegenüber der Wirtschaftszeitung NRC Handelsblad. Panta Holdings war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Der große Coup

Auch in Nordamerika kann Jacobson nicht nur Erfolge vorweisen. Der Unternehmer besitzt 43,2 Prozent der kanadischen Avcorp. Das Unternehmen mit 550 Mitarbeitenden entwirft und fertigt Rumpfteile für Flugzeugbauer, unter anderem auch Boeing. Letztes Jahr erarbeitet es einen Umsatz von umgerechnet 70 Millionen Euro. In den vergangenen drei Jahren resultierten aber durchweg rote Zahlen. 14,7 Millionen beträgt das aufsummierte Defizit von 2009 bis 2011. Der Aktienkurs entwickelte sich dementsprechend schlecht. Das Avcorp-Papier, das im Frühjahr 2007 noch 2.50 kanadische Dollar Wert war, steht heute bei 5 Cent.

Sein größter Coup gelang Jacobson 2007. 15 Jahre zuvor hatte er die belgische Regionalairline VLM Vlaamse Luchttransportmaatschappij gegründet. Sie flog zuerst ab Antwerpen nach London City, später bediente sie die Themsestadt auch ab Amsterdam, Brüssel, Luxemburg und Rotterdam. Neue Strecken kamen laufend dazu. Das Geschäft lief gut. 2007 übernahm Air France-KLM die Fluggesellschaft – die Basis der heutigen City Jet. Wie viel Jacobson damals kassierte, wurde nie offengelegt. Doch der Deal ermöglichte es ihm, weiter zu investieren.

Gutes Gespür fürs Timing

Beim Verkauf von VLM zeigte Jacobson ein feines Gespür für gutes Timing. Dieses Geschick zeigt er jetzt auch bei OLT. Kaum war der Verkauf unter Dach und Fach, kündigte die ehemalige Eigentümerin Amber Gold ihre Liquidation an. Und wer dringend Geld braucht, der muss beim Preis Konzessionen machen. Jacobson schlug zu.

Bilder zu Jaap Rosen Jacobson, OLT und der neuen Fokker finden Sie in unserer Bildergalerie am Anfang des Textes.