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«Turkish setzt auf eigenes Wachstum»

Turkish-Airlines-Chef Temel Kotil im exklusiven Interview über Gespräche mit Lufthansa, die Frage B747 oder A380 und die Traumdestination Somalia.

In der Türkei geht es momentan alles andere als ruhig zu. Wie beeinträchtigen die politischen Turbulenzen Ihr Geschäft?
Temel Kotil: Turkish Airlines ist eine globales Unternehmen. Darum spürten wir keinen negativen Effekt. Wir lieben unser Land so wie unser Geschäft.

Die Unruhen belasten aber den Tourismus, man hörte bereits von Umbuchungen von der Türkei nach Spanien.
Wir sind zufrieden. Im letzten Jahr sind wir 16, 17 Prozent gewachsen und auch dieses Jahr dürften es 20 Prozent werden.

Sie bleiben also zuversichtlich, Ihr Ziel der Verdoppelung der Passagierzahlen von heute 48 auf 100 Millionen Passagiere bis 2017 erreichen zu können?
Ja. Sehen Sie: Vom weltweiten Luftverkehr halten wir etwa 1,9 Prozent. Das klingt nach nicht so viel, aber die größten halten rund 4 bis 5 Prozent. Die Hälfte ist also geschafft.

Sind Sie also bald die größte Airline der Welt? Wann ist es so weit?
Ich bin zuversichtlich. Aber wichtiger als Passagierzahlen ist mir, dass wir unseren Passagieren mehr Destinationen anbieten können. Schon jetzt sind es 204. Bald sind es 250. Allein in Afrika kommen dieses Jahr 12 neue Ziele hinzu. Und dabei sind die Inlandsziele ausgenommen. In diesem Sinne sind wir schon heute die Größten.

Sie fokussieren sich bei ihrem Wachstum stark auf Afrika. Andere Airlines sind da noch zurückhaltender, der Markt ist kein einfacher.
Afrika ist für mich ein sehr emotionales Thema, es war mein großer Traum, dort erfolgreich zu sein. Ich habe auch persönlich viel Zeit dort verbracht. Ich glaube daran, dass Afrika eine sehr vielversprechende Zukunft vor sich hat und wir schon bald die Früchte der Bäume ernten, die wir dort gepflanzt haben.

Warum sehen Sie in Afrika denn so viel Potenzial?
Ich selbst komme aus einfachen Verhältnissen. Ich bin jetzt 55 Jahre alt, in meiner Jugend war die Türkei ein armes Land. In den letzten 40 Jahren hat sich so viel getan. Ich sehe Parallelen zu vielen afrikanischen Ländern. Lassen Sie uns zehn Jahre warten, dann wird vieles anders sein.

Können Sie ein Beispiel für eine erfolgreiche afrikanische Destination nennen?
Mogadischu. Da sind wir sehr erfolgreich.

Ausgerechnet Somalia? Wenn man die Nachrichten verfolgt, könnte man meinen, dass es eher länger dauert, bis sich das Land finanziell fängt.
Auf den ersten Blick ja. Es ist ein gebrochenes Land. Aber inzwischen sind wir wirklich sehr froh über die Mogadischu-Flüge. Es gibt Millionen Somalis, die im Ausland leben. Wir sind die einzige große Airline, die dorthin fliegt, die Leute vertrauen uns und unserer Sicherheit. Und das führt dazu, dass Reiche Somalis ihr Heimatland besuchen. Sie bringen Wissen und auch Geld. Bald schon wird Somalia ein reiches Land sein.

Zurück nach Europa: Sie haben angekündigt, Istanbul zum größten Drehkreuz der Welt zu machen – was macht es so viel attraktiver als Frankfurt, Paris oder London?
Wir haben die Mathematik auf unserer Seite. Wir sind genau in der Mitte von Afrika, Asien und dem Nahen Osten. Das heißt von Istanbul aus können wir ein Drittel aller Passagiere mit einem Nonstop-Flug ans Ziel bringen. Kaum ein anderes Drehkreuz kann das von sich sagen.

Und was ist mit Dubai, Abu Dhabi und Co.? Viele Ihrer europäischen Konkurrenten zittern vor der Konkurrenz aus Nahost.
Die einzigen mit denen wir uns vergleichen, sind wir selbst. Wenn ich in meinen zehn Jahren als Konzernchef irgendetwas gelernt habe, dann das: Die Passagiere kennen die Preise teilweise vor den Airlines. Der Markt ist so transparent, dass es nur Sinn macht, den Reisenden so nah wie möglich zu sein. Uns geht es daher darum, ihnen genug Ziele anzubieten und das tun wir. Passagiere fühlen sich bei uns sehr wohl, wir geben ihnen ein Gefühl von türkischer Gastfreundschaft, welches keine andere Airline bieten kann.

Von den Regierungschefs der Türkei und Deutschlands wurde ja eine Zusammenarbeit mit Lufthansa angedacht. Warum kam die nie zustande? Gab es da auch Differenzen, was die Gesinnung angeht?
Dazu kann ich nicht so viel sagen. Aber lassen Sie uns schauen, was die Zukunft bringt…

Heißt das, dass mit dem neuen Lufthansa-Chef Spohr, dem Nachfolger von Christoph Franz, vielleicht wieder mehr möglich wäre?
Das kann ich leider nicht kommentieren. Aber Deutschland ist für uns natürlich ein wichtiger Markt. Millionen Türken leben dort.

Kommen auch Kooperationen mit anderen Airlines in Frage?
Wir sehen uns alles an. Aber hauptsächlich setzen wir auf unser eigenes, organisches Wachstum. Das ist sehr groß. Da ist Kooperation grundsätzlich schwierig.

Dafür brauchen Sie irgendwann auch größere Flieger. Welcher ist es denn nun? Die Boeing 747 oder der Airbus A380?
Das ist eine Entscheidung in sehr weiter Ferne. Wir haben gerade erst Dutzende Langstreckenflieger bestellt. Momentan denken wir also nicht über das Thema nach.