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«Länder mit extremem Risikoprofil»

Die Sicherheit in der Luftfahrt nahm 2013 erneut zu. Doch noch immer gibt es heikle Regionen. Experte Jan Richter erklärt, wie man als Passagier damit umgeht.

strong>2013 war das sicherste Jahr aller Zeiten für Flugpassagiere. 251 Menschen kamen bei Unfällen ums Leben, so wenig wie noch nie. Wie kommt es dazu?
Jan Richter*: Die Gründe sehe ich in einem Zusammenspiel von drei Faktoren. Erstens bessere Sicherheitseinrichtungen und zuverlässigere Flugzeuge, zweitens verbessertes Ausbildungsniveau beim fliegenden Personal und den Wartungstechnikern, sowie drittens die Einführung von weltweit verbindlichen Sicherheitsstandards.

Wo liegen nun noch die größten Baustellen in der Luftfahrtsicherheit?
Die größte Herausforderung ist die weltweite lückenlose Durchsetzung verbindlicher Sicherheitsstandards, ob in Mauretanien, Kirgisien oder auf den Solomonen. Etwa 70 Länder erfüllen heute schon die wichtigsten Sicherheitsparameter, was ihren Luftverkehr anbelangt. Organisationen wie die ICAO, die FAA oder die Easa sollten noch mehr Anstrengungen darauf verwenden anderen Ländern auf diesem Weg zu helfen, als sich mit Drohkulissen wie «schwarzen Listen» zu behelfen Ich bin aber recht optimistisch, dass der Kreis der «sauberen» Länder stetig weiter wird.

Einige Experten kritisieren die zunehmende Automatisierung. Wie groß ist die Gefahr, die davon ausgeht?
Wir bei Jacdec kennen diese Kritik, teilen sie aber weitestgehend nicht. Automatisierung ist nicht der Feind sondern ein Helfer der Flugsicherheit. Die Schnittstellen zwischen Technik und Mensch müssen allerdings so angelegt sein, dass ein Pilot jederzeit Herr der Lage ist und zu jeder Zeit weiß, was das Flugzeug macht.

Wie wichtig ist das Flottenalter für die Sicherheit einer Fluggesellschaft?
Das Flottenalter ist eher von nachrangiger Bedeutung bei der operativen Flugsicherheit. Wichtiger ist der technische Zustand der Flugzeuge. Wir bei Jacdec haben eine Grenze von zwanzig Jahren, ab der wir eine gewisse Risikorelevanz für die operative Zuverlässigkeit sehen und ein erhöhtes Flugausfallrisiko besteht. Die globale Flugzeugflotte hat sich gegenüber früheren Jahren jedoch merklich verjüngt. Größere Airlines haben ein Durchschnittsalter zwischen sieben und zwölf Jahren. Beides ist aus Aspekten der Sicherheit unbedenklich.

Was gibt es noch für andere Kriterien, die man zu Rate ziehen kann, wenn man als Passagier wissen will, wie sicher eine Airline ist?
Als normaler Passagier hat man leider nur wenig Mittel, den Sicherheitszustand eines Flugzeuges zu prüfen. Daher sollte man sich versuchen, mittels professioneller Anbieter ein möglichst umfassendes Bild einer Fluglinie zu machen. Sicherheit bedeutet, dass eine Vielzahl von Faktoren, von der Qualität der staatlichen Aufsicht bis hin zu den Ausbildungsstandards für Flugbegleiter, ineinander greifen muss. Ein einziges Kriterium herauszugreifen würde der Sache nicht gerecht.

Wo kann ich mich denn am besten informieren, wenn ich mich für eine Fluggesellschaft entscheide?
Grundsätzlich sind innerhalb der EU alle Fluggesellschaften denselben Sicherheitsstandards unterworfen. «Schwarze Schafe» gibt es hier nicht mehr. Jedoch gilt dies nicht für andere Regionen der Erde, etwa Afrika oder einige asiatische Länder. Besonders bei kleineren Regionalairlines außerhalb Europas sollte man sich vorab über deren Sicherheitsniveau informieren. Das geht im Internet sehr gut.

Sie kritisieren viele Sicherheitsratings in der Luftfahrt wegen ihrer Aussagekraft – was machen die meisten von ihnen falsch?
Ranglisten, die wesensfremde Airlines wie etwa Lufthansa mit Nepal Airlines miteinander in einen Topf werfen, oder sich nur auf die reine Unfallbilanz einer Airline fokussieren, halte ich in der Tat für wenig aussagefähig. Pauschale Kritik an anderen Denkansätzen werden Sie von mir nicht hören. Ich wüsste mitunter nur zu gerne, welche Methodik der Berechnung zugrunde gelegt wird, um Aussagen wie «Airline A ist besser als Airline B» treffen zu können. Hier scheint mir bei einigen Rankings ein großer Nachholbedarf an Transparenz zu bestehen.

Und was machen Sie bei Ihrem Ranking anders?
Jacdec tat sich am Anfang ebenfalls schwer eine solche Vergleichstabelle zu veröffentlichen. Unser Ansatz ist, dass man Airlines mit ähnlicher Netzwerkstruktur und ähnlicher Größe in einer seit jeher globalisierten Branche durchaus miteinander vergleichen kann. Prinzipiell geht es um das Verhältnis von belastenden Sicherheitsfaktoren zu entlastenden Faktoren im operativen Geschäft einer Airline. Wir haben seit jeher mit offenen Karten gespielt und alle Komponenten der Berechnung unseres Sicherheitsindexes offen gelegt. Unser Index ruht mittlerweile auf neun verschiedenen Berechnungssäulen. Die reine Unfallbilanz ist nur ein Teil davon. Globale Sicherheitsparameter wie die das Länderaudit USOAP (Universal Safety Oversight Programme) oder das Airlineaudit Iosa (Iata Operational Safety Audit) fließen ebenso ein, wie alle schweren Zwischenfälle. Unser System wird von Jahr zu Jahr verfeinert.

In welchen Regionen der Erde ist denn Fliegen am gefährlichsten?
Bei Ländern und Regionen definiert Jacdec mehre Risikoparameter, wie beispielsweise den Einfluss von widrigen Wetterbedingungen – zum Beispiel Tropenstürme -, mangelhafte staatliche Kontrolle oder topographische Risiken wie Berge. Länder, die ein extrem hohes Risikoprofil aufweisen, das sich leider auch mit den Unfallzahlen deckt, sind Nepal, Russland oder Indonesien. Hierbei sind es jedoch fast immer kleinere Regionalflugzeuge, die den meisten Risiken ausgesetzt sind.

Aber nicht immer kann man auf seinen Reisen die gefährlichen Regionen meiden…
Ich denke über 90 Prozent aller Passagiere aus Europa werden ihre Reisen abseits der riskanten Regionen durchführen. Sollte man sich wegen der Sicherheitssituation vor Ort nicht sicher sein, gilt informieren statt ignorieren. Bei Paketbuchungen inklusive Kurzflügen am Reiseziel sollte jeder gute Reiseveranstalter Auskunft über die befördernde Fluglinie geben. Ich für meinen Teil würde immer wissen wollen, wem ich meine Gesundheit und mein Leben anvertraue.

Beispiel Nepal: Das Land steht auf der Schwarzen Liste der EU, den Fluglinien wird nicht vertraut. Wenn man aber trotzdem in die Berge will…?
Ein gutes Negativbeispiel. Wer unbedingt im Himalaya klettern möchte, dürfte von Hause aus ein eher sportliches Verhältnis zum Tod entwickelt haben. Davon abgesehen ist die Sicherheitsbilanz am Himmel von Nepal so niederschmetternd, dass sich weitere Kommentare erübrigen. Wer Berge genießen möchte, kann dies weitaus gefahrloser in den Alpen tun.

*Jacdec steht für «Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre». Jan Richter hat das Flugunfallbüro 1989 mit Christian Wolf gegründet und die Datenbank seitdem stetig ausgebaut. Die Datenbank soll eine Basis für Statistiken zur Häufigkeit der Verluste bei den verschiedenen Flugzeugtypen und Fluggesellschaften bieten. Außerdem erstellt Jacdec den JACDEC Safety Index, der den Vergleich der Sicherheit von Airlines ermöglichen soll.