«Schlimmster Fall ein Grounding»
[image1]Luftfahrt-Experte Hans Weber erklärt im Interview, welche Auswirkungen die neuen Dreamliner-Probleme haben könnten – und warum Airbus von ihnen profitiert.
Aller schlechten Dinge sind drei: Nach einem Schwelbrand in der Elektronik und einem Treibstoffleck kam es am Mittwoch (9. Januar) erneut zu einer Panne mit einem Dreamliner. All Nippon Airways musste einen Flug vom Flughafen Yamaguchi Ube nach Tokio Haneda annullieren. Bei der eingesetzten Boeing B787 wurden auf dem Hinflug Probleme mit dem Bremssystem festgestellt. Wie wirkt sich die Pannenserie auf Boeing aus? aeroTELEGRAPH sprach mit dem Unternehmens- und Technologieberater Hans Weber von Tecop International in San Diego. Er berät seit vielen Jahren Kunden aus der Luftfahrtbranche.
Wie wirkt sich die Häufung von Pannen auf das Dreamliner-Programm aus?
Hans Weber: Je länger Boeing braucht, um die Ursachen zu finden und Lösungen anzubieten, desto mehr Fluglinien und Passagiere verlieren ihr Vertrauen. Das könnte sich auf künftige Verhandlungen über Bestellungen auswirken. Es könnte zudem eine Verzögerungen bei den weiteren Auslieferungen bedeuten. Die Geschichte zeigt aber, dass solche Zwischenfälle früher oder später vergessen gehen, solange es kein katastrophales Unglück gibt. Die Fluglinien wissen ja auch um die vielen Innovationen in der B787 und sehen die wirtschaftlichen Vorteile davon für sie selbst.
Und wie sieht es bei den Fluglinien aus, die bereits Dreamliner bestellten?
Weber: Wenn man davon ausgeht, dass Boeing und die Zulieferer der Elektronik das Problem schnell in den Griff kriegen, dann hält sich alles in Grenzen. Je schneller es geht, desto besser. Es sind immerhin hochkompetente Organisationen, die eine gute Bilanz vorweisen, wenn es darum geht, Dinge richtig zu machen. Die schlimmste Auswirkung wären weitere Verspätungen bei der Auslieferung.
[image2]Was ist mit Airlines, die den Flieger schon besitzen?
Weber: Sie werden sicher immer nervöser, je länger es dauert, die Probleme zu lösen. Ebenso wie ihre Passagiere. Wenn man nicht genug weiß, fangen die Leute an zu spekulieren und das ist in der Luftfahrt nie gut. Ein großes Risiko für die Airlines besteht darin, dass die B787 im schlimmsten Fall die ETOPS-Zertifizierung für Langstreckenflüge über Wasser verlieren könnte oder sogar bis zu einer kompletten Lösung der Probleme ganz gegroundet würde. Die B787 hat auf diesen Strecken riesige ökonomische Vorteile für die Airlines, die dann nicht mehr existent wären. Für das Programm wäre das ein herber Rückschlag.
Könnte es sein, dass Boeing am Flieger selbst etwas ändern muss?
Weber: Auch ich kann hier nur spekulieren. Das Problem könnte sein, dass es schlecht verarbeitete Teile in den Flieger schafften oder bei der Produktion Fehler gemacht wurden. Hier würde schon eine bessere Qualitätsüberwachung während der Produktion die Lösung sein. Es könnte auch ein Funktionsproblem bei einzelnen Bauteilen sein. Hier würden Nachbesserungen reichen. Im schlimmsten Fall aber liegt das Problem im Design des Jets. Das würde ein Redesign von bestimmten Systemen erfordern.
Wird das B787-Programm langfristig darunter leiden?
Weber: Ich glaube nicht, dass das Programm länger als zwei Jahre leidet. Boeing hätte damit genug Zeit, mögliche Produktionsrückstände auch wieder aufzuholen.
Ist es normal, dass solche Vorfälle bei einem Flieger vorkommen, der schon mehr als ein Jahr im Dienst ist?
Weber: Ja – bei den letzten Fliegern waren die elektrischen Systeme noch nicht so komplex, dass sie es mit ihren Kinderkrankheiten in die Nachrichten schafften. Ich erinnere mich an die Klagegesänge bei der Neueinführung der B747-400. Als die behoben waren, haben alle diesen Flieger geliebt!
Schlägt sich Boeing in der Sache schlechter als die Konkurrenz?
Weber: Jeder, der auf der technischen Seite etwas wagt, riskiert, etwas zu verlieren. So funktioniert Fortschritt. Die De Havilland Comet scheiterte in den 50er-Jahren, dabei starben Passagiere und das Programm. Aber ohne sie hätte es niemals so rapide Fortschritte bei Jets mit Aluminiumbauteilen gegeben. So wurde der Weg geebnet für den Massenmarkt mit Jets, der mit mit Fliegern wie der B707 von Boeing und der McDonnell Douglas DC-10 startete. Ein Desaster wie mit der Comet gab es nicht mehr. Das Jet-Zeitalter führte viele Veränderungen herbei, was die Prozesse angeht. Die technischen Neuerungen jetzt sorgen dafür, dass die Flugzeuge effizienter, CO2-freundlicher, ökonomischer sind.
Könnte Airbus von Boeings Problemen profitieren?
Weber: Airbus’ A350 folgte dem «Mehr-Elektrik»-Ansatz der B787, geht aber nicht ganz so weit. Das Programm setzt zudem zu einem Großteil auf dieselben Zulieferer wie das 787-Programm, Hamilton-Sundstrand und Thales. Man kann daher davon ausgehen, dass der A350 von den Lektionen profitieren könnte, die man durch das Dreamliner-Programm lernte.