Letzte Aktualisierung: um 14:36 Uhr

«Pilot ist einfach noch mit dabei»

Die Automatisierung der Cockpits führe dazu, dass Piloten wichtige Fähigkeiten verlernten, warnt der renommierte Experte Des Barker im Interview.

Er kennt das Innere von Flugzeugen wie seine eigene Hosentasche. Als Pilot und Testpilot für die südafrikanische Luftwaffe flog Des Barker während mehr als vierzig Jahren rund 45 verschiedene Flugzeugtypen. Inzwischen arbeitet der Generalmajor im Ruhestand als Mitglied des weltweit renommierten Forschungszentrums Council for Scientific and Industrial Research in Pretoria. Er gilt als einer der besten Experten für die Anwendung von Automation in Cockpits in zivilen und militärischen Flugzeugen und hält weltweit Vorträge zu diesem Thema.

Wer fliegt eigentlich heute moderne Passagierflugzeuge – die Piloten oder die Bordcomputer?
Des Barker: Ingenieure fliegen sie, während Piloten noch als Systemüberwacher verwendet werden.

Im Ernst?
Barker: Im Versuch, Beurteilungsfehler und feinmotorische Mängel der Piloten zu reduzieren, setzten die Ingenieure der Flugzeugbauer auf innovative Systeme, welche Menschen aus der Kontrollschleife entfernen. Darum lenken Piloten das Flugzeug kaum mehr wirklich von Hand. So verlernen sie wichtige Fähigkeiten.

Wo sehen Sie denn das größte Risiko der Automation?
Barker: Es ist der Mangel an Bewusstein für das, was mit einem Flugzeug gerade passiert. Der Pilot ist einfach noch mit dabei. Das reicht nicht. Piloten entwickelten ein Vertrauen in die automatisierten Systeme und wenn dann Sachen schief laufen, dann verlassen sie sich darauf, dass die Technik das Problem löst. Stattdessen sollten sie die Automatik ausschalten und das Flugzeug manuell fliegen. Doch Piloten haben so wenig Erfahrung damit, dass ihre Fähigkeiten verkümmern.

Aber die Technik brachte über die Jahre immense Fortschritte in der Sicherheit der Luftfahrt.
Barker: Absolut! Seit 1989 fiel der Anteil von Unfällen mit Todesfolge von 1 zu 1,7 Millionen Flüge auf 1 zu 49 Millionen. Das ist eine Reduktion um 96 Prozent. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.

Warum investieren denn Konzerne wie Airbus und Boeing weiter in die Computerisierung ihrer Cockpits, wenn sie doch schlecht sein soll?
Barker: Den technischen Fortschritt aufzuhalten wäre eine Dummheit. Hinter diesen Schritten steht ja eben auch eine Verbesserung der Sicherheit. Aber die Piloten müssen wieder besser verstehen, wie die Automatik ihres Flugzeuges arbeitet. Sie müssen begreifen, weshalb und wie die Computer das Flugzeug steuern. Die Ausbildung muss hier noch viel mehr Wert darauf legen.

Wo macht den Automatisierung Sinn, wo hat sie ihre Grenzen?
Barker: Im Vergleich zu automatisierten Systemen lässt das flatterhafte menschliche Urteilsvermögen viel zu wünschen übrig. Doch bis jetzt erreichte kein einziges dieser Computersysteme null Fehler. Und wenn dann mal solche Probleme auftreten, sind die Piloten heute eher clevere Passagiere statt Experten, die noch wirklich eine Beziehung zu ihrem Flugzeug haben. Die Interpretation der Fehlermeldungen im Cockpit kann die Piloten überfordern – so geschehen etwa im Fall des Airbus A380 von Qantas, bei dem der eine Motor ausfiel. Während des Notfalls waren die fünf Piloten an Bord völlig absorbiert damit, die 54 Meldungen zu entziffern, die alle miteinander zusammenhingen. Zum Glück konnten sie die Maschine dennoch sicher landen.

Nicht immer verlief es so gut. Auf Flug AF447 zwischen Rio und Paris kam es zu einem Kontrollverlust, weil die Piloten mit der Situation nicht richtig umgehen konnten.
Barker: Auf Flug AF447 interpretierte der Pilot den Zustand des Flugzeuges falsch und leitete so die falsche Maßnahme ein. Das ist so, ja.

Oder beim Crash von Turkish Airlines Flug 1951 in Amsterdam…
Barker: … Da ging es um eine simple falsche Interpretation des Funkhöhenmessers. Ich will hier nicht vorgreifen, aber ich bin überzeugt dass in beiden Fällen die Automatisierung der Cockpits zum Unfall beitrug.

Was schlagen Sie vor, um solche Unfälle in Zukunft zu verhindern?
Barker: Es braucht eine ganze Reihe von Maßnahmen: 1. Die Ingenieure der Flugzeugbauer müssen intuitivere Feedbackmechanismen in ihre Computer einbauen, welche die Piloten schneller verstehen können. 2. Die Piloten müssen darin ausgebildet werden, welche Folgen Ausfälle der Automatik haben können. Sie müssen verstehen, was die Automatik macht und ihre psychomotorischen Fähigkeiten durch regelmässiges Training aufrecht erhalten. 3. Testpiloten und Ingenieure müssen viel enger zusammenarbeiten um die Interaktionen und Verbindungen zwischen Mensch und Maschine besser zu verstehen.

Veränderten sich die Anforderungen?
Barker: Eigentlich sind die Anforderungen seit den Zeiten der Gebrüder Orville and Wilbur Wright dieselben geblieben – man muss verstehen, was passiert und man muss die nötigen Fähigkeiten haben, darauf zu reagieren. Doch die Umstände wurden wegen der Automatisierung anders. Die Quintessenz ist: Wir können es uns nicht leisten, dass Mensch und Maschine gleichzeitig versagen!