Letzte Aktualisierung: um 20:22 Uhr

Überschall-Projekte

Die Erben der Concorde

Viele Flieger wollen die legendäre Concorde beerben. Doch wo stehen die Projekte? Und wie realistisch sind sie? Eine Übersicht.

Es ist der Traum vieler Vielflieger: morgens von einem Kontinent aufbrechen, mittags tausende Kilometer entfernt Geschäftstermine erledigen und abends wieder im eigenen Bett einschlafen. Überschallpassagierflugzeuge versprechen genau das. Von New York nach London in nur dreieinhalb Stunden. Gleich mehrere Projekte und große Luft- und Raumfahrtkonzerne arbeiten um die Wette daran, solche Flüge ab 2020 wieder zu ermöglichen. Doch wie realistisch ist dieser Wunschtraum? Und gibt es überhaupt einen Markt dafür?

Diese Zukunft war schon einmal Wirklichkeit. Die britisch-französische Concorde flog schon ab 1976 schneller als der Schall, schaffte die Strecke quer über den Atlantik in dreieinhalb Stunden in einer Höhe von rund 16000 Metern. Wer mit ihr geflogen ist, schwärmt häufig noch heute von diesem Erlebnis. Der Streckenrekord zwischen New York und London steht seit 1996 mit einer Flugzeit von knapp unter drei Stunden. Doch der Flugbetrieb der Concorde wurde 2003 eingestellt.

Verschiedene Projekte, unterschiedlich weit entwickelt

Für einen Linienflieger war die Concorde schlicht zu teuer, Tickets kosteten im Schnitt knapp 20 Prozent mehr als bei normalen First-Class-Flügen (bis zu 10.000 Euro), die Airline flog nur selten Gewinn ein. Im Jahr 2000 dann ein Absturz mit 113 Toten.

Außerdem war die Concorde in ihren Routen sehr eingeschränkt, denn mit Überschallgeschwindigkeit durfte sie nur über dem Meer fliegen. Auf Landrouten wäre der erzeugte Knall zu laut gewesen. Seither gibt es keine Überschallpassagierflugzeuge mehr. Das zur Zeit schnellste Unterschall-Verkehrsflugzeug auf der Strecke New York-London ist der Airbus A380 mit etwa 5 Stunden 53 Flugdauer.

Doch die Hoffnung aufgegeben haben Fans und Tüftler noch nicht. Aktuelle Pläne, die Concorde mit neuen Überschalljets zu beerben, klingen teils fantastisch. Sie sind unterschiedlich weit gereift – ein Überblick:

Boom

Boom, ein Startup aus dem us-amerikanischen Colorado, mit finanzieller Hilfe von Virgin Galactic, verspricht einen «Überschallflug, den sich jeder leisten kann». Rund 2500 Dollar pro Strecke, Flugzeit: 3 Stunden und 15 Minuten, 2,2 mal so schnell wie der Schall – die Concorde war 2 mal so schnell wie der Schall. Der Boom-Jet soll 45 Passagiere transportieren können (bei der Concorde waren es zwischen 92 und 128), aus leichteren und hitzebeständigen Materialien bestehen und einen dritten Antrieb im Flugzeugheck haben.

Im kommenden Jahr soll ein Prototyp in der Größe von einem Drittel des tatsächlichen Flugzeugs, genannt «XB-1» oder «Baby-Boom» getestet werden. Den Preis für ihren großen Flieger beziffern die Entwickler auf ihrer Website mit etwa 200 Millionen US-Dollar – Virgin Galactic soll sich die Option auf zehn Flugzeuge gesichert haben. Ein Problem bleibt aber: Bezüglich des Lärms könnte der künftige Boom-Flieger allerdings dieselben Probleme haben wie die Concorde, zitiert die Fachpublikation «Aviation Week» die Entwickler. Wie es mit dem Start-Up weitergeht, wird entscheidend von den Testflügen 2017 abhängen.

AS2

Ein Konkurrent ist Aerions AS2, unterstützt vom Luftfahrtgiganten Airbus und dem texanischen Milliardär Robert Bass. Der Flieger soll mit 1,1 bis 1,4 facher Schallgeschwindigkeit unterwegs sein und damit etwas langsamer als die Concorde und die Boom-Ambitionen – aber auch leiser. Den Flug London – New York will man hier in 4 Stunden schaffen. Ab 2021 soll es die ersten Flüge des Jets geben, ab 2023 soll die Projektphase in einen regulären Betrieb übergehen. Die Passagierzahl ist nach aktuellen Plänen aber auf lediglich 12 Personen ausgelegt und würde deshalb auch bei einer schnellen Realisierung für die meisten Überschall-Fans unerschwinglicher Luxus bleiben.

Nasa-X-Plane

Am Lärmproblem der Überschallflieger setzt auch die NASA an. Sie arbeitet an einem Flugzeug namens X-plane, das mit einem neuen aerodynamischen Design und neuem Antrieb deutlich leiser unterwegs sein soll als bisherige Modelle – wenn auch ebenfalls etwas langsamer als der geplante Flieger von Boom. Diese Projekt könnte eine Hoffnung für viele Entwickler sein, denn ohne eine Lösung der Lärmfrage bleiben Überschallflugzeugen derzeit nur die Routen über den Weltmeeren.

Charles Bombardiers Antipode

Doch mit diesen Projekten ist die Gier nach immer schnellerem Reisen noch lange nicht gestillt. Andere Überschall-Fans wollen noch viel mehr erreichen. All das bisher erwähnte wirkt im Vergleich mit den Plänen des kanadischen Produktdesigners Charles Bombardier wie ein Bummelzug neben einem Transrapid. In nur elf Minuten will Bombardier Passagiere eines Tages von New York nach London befördern. Sein Projekt namens Antipode soll den Lunch-Trip nach New York möglich machen, ein Reisen mit 24facher Schallgeschwindigkeit.

Eine so schnelle Reisegeschwindigkeit heißt dann nicht mehr Überschall sondern Hyperschall. Beim Start sollen Kerosinraketen gezündet werden, die später abgeworfen werden. Bei der Landung wiederum sollen dann Bremsraketen eingesetzt werden. Die Überhitzung (das am meisten kritisierte Problem des von Bombardier zuvor präsentierten Projekts Skreemr) soll mit Hilfe der sogenannten «Long Penetration Mode» verringert werden, einer Kühlung via eines entgegen der Flugrichtung gerichteten Luftstrahls. Trotzdem müssten hitzebeständigere Materialien und Lösungen für die extremen Fliehkräfte erst noch erfunden werden, damit Menschen in diesem Flieger reisen können. Bombardier gibt selbst zu: von einer Realisierung seien seine Pläne sehr weit entfernt. Es sei vielmehr ein Konzept, das zum Diskutieren anregen solle.

Bedarf an 1300 Überschalljets

Interesse an neuen Überschallflugzeugen gibt es jedenfalls auf dem Markt, behauptet zumindest eine Studie des Beratungskonzerns «Boyd International Strategic Aviation Solution». Demnach gebe es quer durch alle Fluglinien einen geschätzten Bedarf an rund 1300 Flugzeugen im Wert von 260 Milliarden Dollar.

Solange die Pläne für neue Überschallflüge noch nicht umgesetzt sind, halten sich viele Überschallbegeisterte allerdings doch lieber an das, was schon einmal Wirklichkeit war: auch die legendäre Concorde könnte irgendwann theoretisch wieder abheben – zumindest wenn es nach ihren Fans geht. Der «Concorde Club» sammelt Geld, um alte Maschinen zu kaufen und eines Tages wieder flott zu machen – und das recht erfolgreich.

Ein erster Schritt sei nun erreicht, heißt es auf der Website des Clubs. Eine Londoner Bank habe rund 30 Millionen Pfund gespendet, um 2017 eine alte Concorde nach England zu überführen und als Ausstellungsstück und Restaurant für Fans umzubauen. Man sei in Diskussionen mit verschiedenen Museen, heißt es. Zumindest dieses Erlebnis wäre dann tatsächlich für alle Überschallfans bezahlbar

Details zu Überschallflügen lesen Sie hier:

Boeing und Nasa: Sohn der Concorde.
Airbus (Zehst): Die Bio-Concorde.
Virgin: Branson will Super-Concorde bauen.
Massachussetts Institute of Technology MIT: Die bessere Concorde.
Skylon: Mit Mach 5 um die Welt.

Eindrücke eines Concorde-Fluges: