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«Ryanair war damals der Befreier»

Aer-Lingus-Chef Christoph Müller sagt im Interview mit aeroTELEGRAPH, wie er mit Ryanair umgeht, wie sich das Verhältnis änderte, wie ein Fusionspartner aussehen müsste und wo er wachsen will.

strong>Ihr Anteilseigner und stärkster Konkurrent Ryanair musste letzte Woche eine Gewinnwarnung herausgeben. Sind Sie da ein bisschen schadenfroh?
Christoph Müller: Des Anderen Ergebnis hat ja keine Auswirkungen auf unser Ergebnis. Deswegen haben wir das einfach mal so zur Kenntnis genommen.

Zugleich bekam Ryanair von der britischen Wettbewerbsbehörde eine Abfuhr und muss den Anteil an Aer Lingus von heute fast 30 auf 5 Prozent reduzieren. Das muss Sie sicher freuen.
An der Front kämpfen wir ja bekanntlich schon seit dem zweiten Übernahmeversuch. Ryanair ist nun mal zehnmal stärker. Bezogen auf die Börsenkapitalisierung kommt Ryanair ja auf fast zehn Milliarden Euro, wir liegen bei mehr als 900 Millionen Euro. Wenn ein größerer Wettbewerber einfach aufgrund seiner Finanzkraft jeden Kleineren vom Markt nehmen kann, dann geht das natürlich nicht. So haben wir auch vor den Kartellbehörden über Jahre hin argumentiert. Dass unsere Argumente nun endlich gefruchtet haben, ist schon unser Erfolg und freut mich auch bis zum gewissen Grad.

Wie viele Managementkapazitäten band der Kampf mit Ryanair?
Wir haben von Anfang an versucht, im Management zu große Reibungsverluste zu vermeiden und uns auf das Tagesgeschäft zu konzentrieren. Ich persönlich habe nur relativ wenig Zeit darauf verwendet. Wir haben stets versucht, für uns keine Publicity aus der Ryanair-Attacke zu machen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ryanair-Chef Michael O‘Leary?
Wir kennen uns seit vielen Jahren. Man darf eben auch nicht vergessen, dass sein Unternehmen unser größter Anteilseigner ist. Da haben wir auch Verpflichtungen. Wir reden miteinander und treffen uns regelmäßig nach jedem Quartalsergebnis – auf professioneller Ebene.

Nehmen Sie das dann nicht auch als Kompliment? Immerhin will Sie eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt platt machen.
Wir sehen das nicht so. Ein Monopol ist einfach immer verlockend. Aber nichts Gutes. Die irische Bevölkerung hat früher unter dem Monopol von Aer Lingus gelitten. Da war Ryanair damals sowas wie der Befreier.

Ein bisschen ironisch…
Ja. Aus Robin Hood wurde plötzlich der Sheriff von Nottingham.

Liegt es zum Teil auch am Auftreten von O‘Leary, dass Ryanair nicht besonders positiv wahrgenommen wird?
Das ist halt ein Wettbewerber, der anders ist. Dass er lauter und offensiver ist, das gehört zu seinem Marketingkonzept. Das nehme ich nicht persönlich. Keiner ist sicher vor ihm – ob Richter, Ministerpräsident, oder Kunde. Ich bin fast überrascht, dass ich noch keine Verbalattacke abbekommen habe.

Ganz am Anfang schon: Als Sie bei Aer Lingus damals übernahmen, nannte Ryanair-Sprecher Steven Mc Namara Sie einen «Experten für Versager-Fluggesellschaften». Was würden Sie heute darauf antworten?
Quod erat demonstrandum. Ich habe mich Ende der Achtzigerjahre auf Airline-Sanierungen spezialisiert. Aer Lingus war seinerzeit in einer bedrohlichen Situation. Die Sanierung erschien mir aber durchaus machbar.

Das heißt, Sie waren bei Aer Lingus auch nicht sicher?
Bei Aer Lingus habe ich nie gedacht, dass es eine Airline sei, die nicht überlebt. Ich habe mir das seinerzeit genau angesehen und bin dann das Risiko eingegangen.

Wo hatten Sie am meisten zu kämpfen?
Das ganze Thema Informatik war ziemlich vernachlässigt. Da haben wir inzwischen aufgeholt. Auch die Pünktlichkeit mussten wir massiv verbessern. Die größte Herausforderung war wohl das Verhältnis zwischen Angestellten und Management. Die Stimmung war nicht gut. Das hat sich aber massiv geändert

Wie denn?
Die Mitarbeiter sind motiviert und verstehen sich als Teil des Unternehmens. Schon bei der Sanierung zeigten sie enormen Teamgeist. Sie haben gesehen: ‹Okay, jetzt geht es ums Überleben›. Sie haben das verstanden und auch harte Einschnitte als nötig anerkannt. Freiwillig brachten sie absolute Höchstleistung. Das führte zu drei Jahren mit Gewinn hintereinander, dieses Jahr werden wir nochmals einen drauf legen.

Wie viel von dem Erfolg schreiben Sie sich selbst zu?
Nichts. Das war alles Teamwork, davon bin ich überzeugt Das sieht man zum Beispiel am Thema Pünktlichkeit. Wir sind eine der pünktlichsten Fluggesellschaften in Europa. Und am schwierigen Standort London Heathrow sind wir sogar die pünktlichste. Dafür sind sind alle Mitarbeiter verantwortlich. Pünktlichkeit kann man in keinem Sitzungszimmer entscheiden.

Entschieden wurde dort aber der Ausbau der Langstrecke. Erst gerade gaben Sie die neuen Ziele Toronto und San Francisco bekannt. Warum setzen Sie auf diesen Markt, von dem viele sich zurück ziehen?
Das liegt vor allem an der geographischen Lage Irlands. Es ist der westlichste Punkt Europas, bevor man über den Atlantik fliegt. Jeder Flieger, der von London, Paris oder Frankfurt in die USA will, fliegt über Irland. Solche Positionen nutzen schon TAP in Portugal für die Brasilien-Strecken, Finnair für die Japan-Flüge und Turkish Airlines nach Asien. Insofern haben wir die letzten 10, 15 Jahre den Zug einfach etwas verpasst. Wir könnten allein wegen der Lage noch einen viel größeren Anteil am Nordatlantik-Markt haben. Eigentlich müsste jeder, der nördlich von London wohnt, über Dublin fliegen. Zum Teil flogen sie dann aber sogar über Amsterdam.

Hat sich das nun geändert?
Wir drehen das Ventil gerade auf und der Markt gibt uns recht. Wir sehen zunehmend Gäste aus Edinburgh, Glasgow, Manchester, die sich für uns entscheiden. Was uns vor allem erstaunte: Wir haben auch sehr viele Passagiere aus Städten, die eigentlich Nonstop-Verbindungen bieten. Etwa Paris.

Warum kommen die?
Unser Produkt ist einfach gut. Und auf der Langstrecke ist auch der Soft-Faktor spitze. Ab 2015 bieten wir in der Business-Class Lie-Flat-Sitze an. Dann ziehen wir endgültig mit allen gleich, die über den Nordatlantik fliegen und eine First Class haben.

Haben Sie außerhalb dieses Gebiets noch Ziele, die Sie unbedingt anfliegen wollen?
Wir sind da erstmal vorsichtig. Wir schauen, wie die 25-prozentige Kapazitäts-Erhöhung auf der Langstrecke sich in den nächsten Jahren entwickelt. Aber grundsätzlich sind wir Richtung Osten eher vorsichtig. Nach Asien ist die Konkurrenz zu stark. Emirates und Etihad greifen da nicht nur die Lufthansa an, sondern streiten auch untereinander. Wenn Sie da zwischen die Mühlsteine kommen, verdienen Sie kein Geld. Ich kann mir daher vorstellen, zunächst verstärkt über Frequenzen zu wachsen.

Um gegen die wachsende Konkurrenz anzukommen, hilft manchmal der Zusammenschluss. Irische Medien berichten von Fusions-Gesprächen.
Ich kann nicht ungeschehen machen, was die Wettbewerbsbehörde in ihren Bericht schreibt. Ich halte das aber auch für einen Bruch der Vertraulichkeitsvereinbarung, öffentlich über Fusionsgespräche zu spekulieren. Unsere Gesprächspartner hatten sich immerhin darauf verlassen, dass es nicht an die Öffentlichkeit kommt. Mehr will ich daher nicht sagen.

Was für einen Partner würden Sie sich denn für eine Fusion wünschen?
Da gäbe es verschiedene Ansätze. So könnten die gemeinsame technische Wartung für Zusammenschlüsse von Vorteil sein oder aber sich ergänzende Märkte. Auch die jeweilige Situation bei den Slots könnte ein Treiber sein.

Wie weit sind die Gespräche schon?
Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Vielleicht nur so viel: ein Partner überlegt sich doch sehr genau, welches Risiko er eingeht, sich an einer Airline zu beteiligen, bei der Ryanair mit im Boot sitzt.

Sie hatten in Ihrer Karriere schon mit zahlreichen eher schwierigen Persönlichkeiten zu tun. Nicht immer ging das gut aus – sieht man am Beispiel Sabena und Swissair, als es schließlich in der Pleite endete. Was sind die wichtigsten Lehren, die Sie daraus zogen?
In der Krise zeigt der Mensch sein wahres Gesicht. In der harten Krise kann man am Ende des Tages unterscheiden, auf wen man sich verlassen kann und wer weg läuft. Manche Leute, die einem sehr stark vorkommen, zeigen dann eine ganz andere Persönlichkeit. Aber das ist nur eine von vielen Wahrheiten, die man in solchen Situationen sieht.

Christoph Müller (51) ist seit 2009 Konzernchef von Aer Lingus. Zuvor sass er im Vorstand von Tui und war dort für den Flugbereich zuständig. Seine früheren Stationen waren der Vorstand der Deutschen Post und von Sabena sowie Managementaufgaben bei Daimler Benz Aerospace und Lufthansa. Müller studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln.